Inhaltsverzeichnis:
- 1 Hohe Fluktuationsrate im Management
- 2 Organisationsdiagnose
- 3 Systemische Analyse: Die Suche nach dem „längsten Hebel“
- 4 Rückspiegelung in den Vorstand
- 5 Architektur des Veränderungsprozesses
- 6 Was ist an diesem Veränderungsprozess systemisch?
- 7 Und das Ergebnis?
- 8 –> Unser Angebot in Change Management
- 9 Unser Angebot in Change-Management Beratung
Hohe Fluktuationsrate im Management
„Ich glaube, wir brauchen einen Wertewandel“, sagte der Vorstand versonnen zu seinem Glas Wein nach einem langen Blick aus dem Fenster. Rückblickend markierte dieser Satz die Entscheidung für einen Prozess im Unternehmen, der weit mehr als nur einen Wertewandel auslösen sollte.
„Unsere Junior Professionals kündigen zu schnell. Wir sind ein Durchlauferhitzer, und wir wissen nicht, wie wir das stoppen können“, berichtete ein Mitglied aus dem mittleren Management. „Auf jeder Strategiesitzung sprechen wir über dieses Problem – aber im Grunde ist die ganze Runde ratlos“.
Organisationsdiagnose
Ausgestattet mit diesen spärlichen Erstinformationen und vielen Arbeitshypothesen aus den ersten Gesprächen mit Vorstand und einzelnen Führungskräften bekamen ich und meine Kollegen vom house of competence den Auftrag für eine ausführliche Datenerhebung und Diagnose. In den folgenden Wochen führten wir viele Einzelinterviews mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der verschiedensten Hierarchieebenen. Dabei kamen weitere Herausforderungen für die Geschäftsführung ans Licht, die exemplarisch für viele Unternehmenskulturen stehen:
Führungskräfte, die nicht führen
In einer Abteilung war die Führungskraft ständig regelmäßig auf Dienstreise und in wichtigen Situationen nie anwesend oder entscheidungsfähig. Die Vertretung wurde von einem Kollegen nicht übernommen, der sich über den Umfang seiner Vertretungsmacht nie im Klaren war. Personalfragen, Konflikte, strategische Entscheidungen, Ressourcenzuteilungen – wichtige Entscheidungen wurden verschoben oder nach nicht nachvollziehbaren Kriterien getroffen. Die Kündigungsrate in der betroffenen Abteilung war in den Monaten zuvor ansehnlich gewachsen.
Nicht wahrgenommene Wertschätzung gegenüber Mitarbeitern
Andere Mitarbeiter wussten zu berichten, dass hoher Arbeitseinsatz zwar implizit erwartet wurde. Explizit zeigte sich das Unternehmen nach Wahrnehmung der Befragten dafür aber wenig erkenntlich. Versprochene Fortbildungen, Freizeitausgleich oder komfortablere Ausstattung der einzelnen Arbeitsplätze standen immer wieder oben auf der Wunschliste. Einen Betriebsrat, der dies hätte durchsetzen können, gab es nicht.
Einseitig eingeforderte Loyalität
Ein Mitarbeiter berichtete uns: „Solange meine Interessen und die des Unternehmens übereinstimmten, lief alles ganz gut. Aber sobald das nicht mehr der Fall war, wurde Vertrauen oder hoher Einsatz nicht mehr belohnt. Es ging dann knallhart nur noch um die Interessen des Unternehmens“. Hier schwangen natürlich zunächst einmal tiefe Emotionen, Enttäuschung und Verletzung mit. Aber aus Beratersicht führen solche Aussagen zu der grundsätzlichen Frage, ob in gut geführten Ziel- und Personalgesprächen überhaupt das Gefühl aufkommen können sollte, dass es dabei „Gewinner“ oder „Verlierer“ gibt. Die Herausforderungen für das Unternehmen schienen hier in der Qualifikation der Führungskräfte und, noch weiter gedacht, in einem umfassenderen Personalentwicklungskonzept zu liegen.
Undurchsichtige Beurteilungskriterien für das mittlere Management
Das Thema „Qualifikation des mittleren Managements“ zeigte sich noch in anderen Erscheinungsformen. Auffällig viele Führungskräfte waren langjährige Mitarbeiter, die schon in der Gründungsphase des Unternehmens an Bord waren. Es fehlte an „Frischblut“. Für motivierte Mitarbeiter schien es kaum Aufstiegschancen zu geben. Eine unabhängige Personalentwicklungsabteilung gab es nicht.
Die Gründerfigur des Unternehmens hatte bislang alle Personalentscheidungen aus dem Bauch getroffen, systematische und nachvollziehbare Qualifikationskriterien oder Indikatoren zur Beurteilung von Führungskräften fehlten. Aus Beratersicht schien es so, als ob persönliche Beziehungen mehr zählten als formale Qualifikation oder nachgewiesene Fähigkeiten – oder gar Talent.
Solche Konstellationen erleben wir als Beraterteam nicht selten, gerade in inhabergeführten Unternehmen. Unternehmenskulturen dieser Ausprägung handeln sich damit jedoch eine ganze Reihe von zwangsläufigen Schwierigkeiten ein:
- Das Unternehmen bekommt nicht die besten Führungskräfte, sondern die Gründungsfigur die vermeidlich Sympathischsten. Dies kann sich zum Risikofaktor für langfristiges und nachhaltiges Wachstum entwickeln
- Eine „Kultur der passenden Nase“ fördert Karrieristen und Schleimer – demotiviert jedoch Leistungsträger, die sich diesem System nicht anpassen wollen oder können. Aber unter welcher dieser Gruppen finden sich mit höherer Wahrscheinlichkeit die echten Leistungsträger?
- Management kann man lernen, Führen nur bedingt. Wer führt, braucht nicht nur Wissen, sondern vor allem auch charakterliche Eigenschaften, die Fähigkeit und der Wille zur Reflektion des eigenen Handelns und eine klare „innere Haltung“. Wenn Personalentscheidungen nicht auf klaren Kriterien sondern vor allem auf Sympathien beruhen, hat es der personelle „Mittelbau“ mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit mit eher mittelmäßigen Führungskräften zu tun.
Renditedruck durch Management-Buyout
Die Schwierigkeiten des Unternehmens waren also hausgemacht. Hinzu kam ein Wechsel an der Führungsspitze: Die Gründerpersönlichkeit hatte sich einige Zeit zuvor in den Ruhestand zurück gezogen. Einige mittlere Führungskräfte hatten die Mehrheitsanteile am Unternehmen gekauft und dafür hohe Kredite aufgenommen. Die Bank verlangte dafür einen substanziellen Minderheitsanteil am Unternehmen mit einem Rückkaufsrecht für die neuen Eigentümer. Um ihre Kredite bedienen und die Anteile der Bank zurück kaufen zu können, wurde ein Fünfjahresplan zur Umsatzsteigerung aufgelegt und in der Belegschaft verkündet.
Das Programm sorgte für Spott, Ratlosigkeit und Sorgenfalten, vor allem beim mittleren Management. „Wir haben den Auftrag bekommen, Konzepte vorzulegen, waren aber überhaupt nicht überzeugt, dass diese das Papier wert sind, auf dem sie geschrieben wurden“, sagte uns eine Führungskraft später im Vertrauen.
Hier zeigte sich ein wichtiges weiteres Detail der herrschenden Unternehmenskultur: In den Sitzungen mit dem Vorstand gab es kaum kritische Wortmeldungen. Das mittlere Management schlug die Hacken zusammen und meldete Vollzug. Wen wundert’s? Wer sich nach Sympathiekriterien beurteilt weiß, wird die konstruktive Auseinandersetzung nicht zwangsläufig als „Wert an sich“ verinnerlicht haben. Jedes Management bekommt die Untergebenen, die es verdient.


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Systemische Analyse: Die Suche nach dem „längsten Hebel“
Wie war dem Unternehmen in dieser Situation zu helfen? Eine systemische Analyse zeigte den wahrscheinlichsten „Entry Point“, um Veränderungen in Gang zu setzen:

Der zentrale Punkt, um das ganze System zu verändern, schien der Wertekosmos des Vorstands zu sein. Das Beraterteam formulierte seine Arbeitshypothesen so:
- Es brauchte verlässliche und transparente Auswahlkriterien für das mittlere Management und klar kommunizierte Beurteilungskriterien für dessen Leistung.
- Wenn das mittlere Management weiß, woran es gemessen werden wird, wird es sein Handeln und seine Entscheidungen danach ausrichten.
- Wenn das mittlere Management Verlässlichkeit, Konsequenz und Fairness vom Vorstand als Werte vorgelebt bekommt, und wenn dies auch umgekehrt vom Vorstand eingefordert wird, wird sich auch der Führungsstil des mittleren Managements gegenüber seinen Untergebenen nachhaltig verändern.
Wenn es also gelänge, im Vorstand ein Bewusstsein für die Missstände und anstehenden Herausforderungen aus Mitarbeitersicht zu wecken, würde ein Reflektionsprozess über den eigenen Führungsstil einsetzen. Daraus, so unsere Annahme, würde Motivation zur weiteren Analyse erwachsen und schließlich ein „Masterplan der systemischen Veränderung“ in Gang kommen.
Rückspiegelung in den Vorstand
Im Rahmen der Mitarbeiterbefragungen war Vertraulichkeit zugesichert worden, so dass wir die Ergebnisse aus den Interviews nach Themengebieten zusammenfassten und anschließend Arbeitshypothesen zur Diskussion stellten. Hier kam es darauf an, dem Vorstand einerseits ein unverzerrtes Bild der Lage zu übermitteln, ihn andererseits aber auch das Gesicht wahren zu lassen und Möglichkeiten zum Rückzug offen zu halten. Dies ist im Beratungsprozess regelmäßig eine kritische Situation, die viel Fingerspitzengefühl erfordert.
Am Ende des halbtägigen Workshops gab der Vorstand jedoch seine Zustimmung für einen längerfristigen Veränderungsprozess, der auf mehreren Ebenen ablaufen sollte.
Architektur des Veränderungsprozesses

Nach der Vorstandsentscheidung für den Change-Prozess wurden zunächst die Mitarbeiter darüber informiert. Unmittelbar danach starteten die Einzelinterviews mit ausgewählten Mitarbeitern, von denen ich oben berichtete. Mit diesen Ergebnissen wurden die Teamworkshops inhaltlich vorbereitet und Mikrodesigns für die Workshops erstellt. Die Erkenntnisse der Teamworkshops flossen wiederum in das Mikrodesign der Workshops mit dem mittleren Management ein. Der Vorstand wurde in allen Phasen informiert und konnte somit den Prozess mit steuern. Dies erschien aus mehreren Gründen notwendig und gewinnbringend:
- Der neue Vorstand sollte „ownership“ für den Prozess übernehmen, denn im Rahmen der systemischen Analyse war ja klar geworden, dass alle Veränderung vor allem von ihm ausgehen müssten
- Der Vorstand konnte jederzeit steuernd eingreifen, denn schließlich muss er ja nach Rückzug der Berater weiter mit dem herbeigeführten Zustand leben.
Die wesentlichen Veränderungen und eine vom Vorstand und mittleren Management gemeinsam verabschiedete „Roadmap“ für die angestoßenen Veränderungsprozesse wurden anschließend mit der gesamten Belegschaft in einem World Cafe diskutiert und „verinnerlicht“.
Was ist an diesem Veränderungsprozess systemisch?
Die systemische Organisationsentwicklung geht davon aus, dass für einen Zustand immer mehrere Faktoren verantwortlich sind. Um eine Organisation in Bewegung zu setzen, müssen also regelmäßig mehrere Variablen verändert werden, um eine Wirkung zu erzielen. Im beschriebenen Fall des Logistikunternehmens hieß das, mit mehreren hierarchischen Ebenen der Organisation gleichzeitig zu arbeiten.
Die Suche nach dem „längsten Hebel“ in der Interventionsarchitektur stellt sicher, dass im Rahmen des Veränderungsprozesses so wenig äußere Ressourcen wie möglich eingesetzt werden und die Organisation jederzeit selbst für den Prozess verantwortlich bleibt.
Und das Ergebnis?
Folgende Wirkungen wurden erzielt:
- Die Kündigungsrate unter den Young Professionals sollte drastisch sinken
- Das mittlere Management hat aus eigenem Antrieb die Einrichtung einer Personalentwicklungsstelle vorgeschlagen. Diese ist nun eine Stabsstelle des Vorstands.
- Es gibt auf allen Ebenen halbjährliche Mitarbeitergespräche mit schriftlichen Zielvereinbarungen als Personalführungsinstrument
- Es gibt klare Stellenbeschreibungen mit Qualifikationskriterien im ganzen Unternehmen, insbesondere für das mittlere Management
- Das Budget für Fortbildungen des mittleren Managements wurde erheblich aufgestockt
- In den Management-Meetings mit Vorstand und Geschäftsführung kommt es inzwischen zu kontroversen, aber fruchtbaren Diskussionen
- Für einzelne Problembereiche des Unternehmens wurden abteilungsübergreifende Arbeitsgruppen eingerichtet und mit den notwendigen Ressourcen ausgestattet
Damit waren die wesentlichen Indikatoren für den Erfolg der Beratung erfüllt.
Der gesamte Beratungsprozess dauerte 11 Monate. Die Veränderungen sind damit jedoch noch nicht abgeschlossen: Das Logistikunternehmen braucht dazu jedoch inzwischen keine Anwesenheit von Beratern mehr.
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