Inhaltsverzeichnis:
- 1 Grenzen des ProjektManagements
- 2 Wichtigste Unterschiede zu technischen Projekten
- 3 Soziale Systeme reagieren aktiv und daher nie voll berechenbar
- 4 Interaktion mit lebendem System statt Abarbeiten eines Kommunikationsplans
- 5 Weder Allheilmittel noch nutzlose Erbsenzählerei
- 6 Grundlegende Fehler im Projektmanagement oder: Zehn Wege, wie es nicht funktioniert
- 7 Meide die Komplexität!
- 8 Instrumente (“Tools”) des Projektmanagements
- 9
- 10 Kostenfreies Erstgespräch
Grenzen des ProjektManagements
Erfolgsfaktoren von Projekten
Der entscheidende Erfolgsfaktor ist klassisches Projektmanagement vor allem dort, wo extreme organisatorische Komplexität bewältigt werden muss – etwa bei großen Bau- oder Logistikprojekten. Wenn es etwa darum geht, innerhalb einer Nacht den gesamten Münchener Flughafen umzuziehen, dann ist in der Tat die Qualität der Projektplanung der Generalschlüssel zum Erfolg. Schon der Implementierung von IT-Systemen genügt eine planerische und organisatorische Meisterleistung nicht mehr, um den Erfolg zu gewährleisten; da kommen bereits die Betroffenen ins Spiel. Das gilt erst recht bei Veränderungsvorhaben, die tief in die Struktur und/oder Kultur eines sozialen Systems eingreifen: Wenn der Großteil der Führungskräfte und Mitarbeiter keinen Handlungsbedarf sieht, wenn aufgrund vorausgegangener Erfahrungen niemand an den Erfolg des neuen Vorhabens glaubt oder wenn sich das Projektteam am Widerstand der Fachabteilungen aufreibt, dann hilft kein Netzplan, kein Handbuch und erst recht kein IT-gestütztes Planungstool.
Wichtigste Unterschiede zu technischen Projekten
Knackpunkt Komplexität
Im Vorfeld größerer Veränderungsprojekte ist es deshalb wichtig zu klären, wo ihre zentrale Herausforderung liegt: In ihrer planerischen und organisatorischen Komplexität oder in den möglichen Reaktionen von Individuen, Gruppen und Organisationen – oder gar in beidem. (Fusionen und Übernahmen zum Beispiel fallen in letzte Kategorie, weil hier zu den verbreiteten Ängsten und Zukunftssorgen auch eine gewaltige organisatorische Komplexität kommt, die durch den hohen Zeitdruck und die bei Misserfolgen drohende Abwärtsspirale zusätzlich verschärft wird.) Wenn die Bewältigung der Komplexität das zentrale Problem ist, dann ist klassisches Projektmanagement der richtige Ansatzpunkt; liegt es in der Bewältigung struktureller und kultureller Veränderungen, muss das Augenmerk primär bei der Gestaltung des sozialen Prozesses liegen. (Schlauberger könnten hier einwenden, man müsse das eine tun, ohne das andere zu lassen. Aber das verwischt die Prioritäten: Es ist zu unterscheiden zwischen dem, was im konkreten Fall über Erfolg oder Misserfolg entscheidet und was infolgedessen im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen muss, und dem, was man auch noch tun sollte, weil es einem den Rücken freihält und unnötige Schwierigkeiten erspart.)
Teufelchen im Detail
Dass eine minutiöse Projektplanung im Change Management nicht den gleichen Stellenwert hat wie bei großen Bau-, IT- oder Logistikprojekten, liegt indes nicht nur an der Komplexität: Die kann auch bei Veränderungsprojekten beträchtlich sein. Ein entscheidender Unterschied liegt im Charakter der Projektergebnisse. Bei technischen Großprojekten besteht ja nicht nur die Planung, sondern auch die Realisierung aus einer immer tieferen Detaillierung – und am Ende hängt alles davon ab, dass jedes Detail exakt mit sämtlichen anderen Details zusammenpasst. Wenn zwei Softwaremodule nicht sauber ineinandergreifen, hängt sich am Ende das ganze Programm auf, oder es produziert Ergebnisse, die niemand gewollt hat. Wenn die Sicherungssysteme eines Kraftwerks nicht perfekt funktionieren, erzeugen sie entweder permanente Fehlalarme, oder sie arbeiten bei Störfällen nicht einwandfrei. Wenn die Logistikplanung für eine Großbaustelle nicht bis ins Detail durchdacht ist, entstehen Engpässe, die das gesamte Projekt aufhalten, oder der Verkehr auf einer der Zufahrten bricht zusammen – und reißt den ganzen Betrieb mit sich.
Die grobe Richtung muss stimmen
Bei den meisten betrieblichen Veränderungsprozessen ist das fundamental anders. Zwar müssen auch hier die Teile zusammenpassen, und es ist schlecht, wenn das Beurteilungssystem oder die Beförderungspolitik die Mitarbeiter für ein anderes Verhalten belohnen als es für den Erfolg des Unternehmens erforderlich wäre. Aber das ist eine Kompatibilität auf viel gröberem Niveau; hier kommt es nicht auf die präzise Verzahnung im Detail an, sondern es genügt, wenn die große Richtung stimmt. Inkompatibilitäten sind in diesem Fall zwar schwerer zu entdecken, aber wenn man sie erst einmal erkannt hat, ist es meistens relativ leicht, sie zu korrigieren. Deshalb ist eine zu detaillierte Planung bei Veränderungsprozessen meist vergebliche Liebesmüh. Auch wenn der Gedanke für Projektmanagement-Freaks schwer zu verkraften ist: Im Change Management genügt es in aller Regel, wenn der Bug in die richtige Richtung zeigt und genügend Schub auf dem Schiff ist. Eine akribische Feinsteuerung ist spätestens nach der nächsten größeren Welle hinfällig. Was keineswegs heißen soll, dass Planung bei Veränderungsprozessen generell keinen Sinn hat – es heißt nur, dass eine zu detaillierte Planung keinen Sinn hat.
Soziale Systeme reagieren aktiv und daher nie voll berechenbar
Fehlertoleranz im Detail – und überschießende Reaktionen
Soziale Systeme sind einerseits sehr viel fehlertoleranter als technische, andererseits reagieren sie unter Umständen sehr heftig und überschießend auf scheinbare Nebenaspekte. “Fehlertoleranz” bedeutet nicht, dass soziale Systeme jeden Fehler wegstecken, er bedeutet nur, dass kleine Ungenauigkeiten kaum eine Rolle spielen. Ein technisches System hängt sich auf, wenn ein Parameter im falschen Format übergeben wird; ein Mitarbeiter stutzt kurz, wenn eine Aussage missverständlich formuliert ist, versteht beim zweiten Hinsehen deren Sinn und reagiert entsprechend. “Reagiert entsprechend” kann freilich auch heißen: Ein Mitarbeiter, ein Team oder eine Organisation reagieren unter Umständen stärker auf den Ton und die Begleitumstände, also auf das “Wie”, als es ein technisches System täte. So reagiert ein Computer nicht auf die Heftigkeit des Tastendrucks, auf die in den Eingaben mitschwingende Hektik, Ungeduld oder Aggressivität – eine Gruppe oder Belegschaft aber sehr wohl. Diese “emotionalen Wellenschläge” sind es, die eine präzise Planung von Veränderungsprozessen schwierig machen und eine allzu detaillierte Planung oftmals binnen Sekunden über Bord spülen.
Aktive Antworten
Technischen Projekte haben es primär mit lebloser Materie zu tun, die auf unsere Eingriffe in einer passiven, emotionslosen und weitgehend vorhersagbaren Weise reagiert: Dem Kabel ist es egal, wo es verlegt wird, und die Datenbank reagiert rein deterministisch auf die vorgenommen Änderungen. Im Gegensatz dazu haben wir es im Change Management mit lebendigen Menschen, Gruppen und Organisationen zu tun. Menschen aber antworten auf das, was in ihrer Umgebung vor sich geht, mit Gedanken, Gefühlen und eigenen Aktivitäten, die niemals vollständig berechenbar sind.
Reaktionen nicht voll vorhersagbar
Zudem reagieren Mitarbeiter in Unternehmen nicht bloß individuell auf stattfindende Entwicklungen. Vielmehr diskutieren sie untereinander darüber, kommen zu übereinstimmenden Bewertungen und antworten in ähnlicher Weise darauf – ein aktiver Selbstverstärkungseffekt, der längst nicht so deterministisch abläuft wie positive oder negative Rückkopplungen in einem technischen System. Beispielsweise versuchen Menschen, sich Veränderungen zu entziehen, die sie für bedrohlich halten – aber die Art, wie sie es tun, hängt von vielen Umständen ab, und das Repertoire reicht von Abwanderung über Gerüchte und Widerstände bis zu Zynismus. Sie versuchen, Entwicklungen für ihre Zwecke zu nutzen, wenn sie ihnen neue Chancen und Möglichkeiten – oder auch nur Schlupflöcher – eröffnen. Um es in einem Bild zu sagen: Soziale Systeme reagieren auf unsere Interventionen nicht wie ein Sandhaufen und auch nicht wie eine Platine, sondern eher wie ein junges Pferd: neugierig, misstrauisch, um Wahrung seiner Autonomie bestrebt – und immer ein Stück unvorhersehbar.
Eigendynamik sozialer Systeme
Zwar sind die Reaktionen von Individuen, Gruppen und sozialen Systemen keineswegs so unberechenbar wie oft angenommen wird – die Grundmuster sind sogar ziemlich gut vorhersagbar, und es ist immer wieder unglaublich, in welchem Ausmaß nicht nur Projektteams, sondern auch Top-Manager oft von Reaktionen ihrer Belegschaften überrascht werden, die eigentlich “genau dem Lehrbuch entsprechen”. Doch die Vorhersagbarkeit endet bei den Effekten zweiter und dritter Ordnung. Beispielsweise ist es nicht schwierig vorherzusagen, mit welchen Gedanken und Emotionen die Mitarbeiter reagieren werden, wenn das Management in einer kritischen Phase – etwa bei einer Restrukturierung, einer Fusion oder einem Turnaround – zu wenig kommuniziert. Doch ist kaum noch vorherzusehen, welche Entscheidungen sie aus dieser Gefühlslage heraus treffen werden – ob und in welchem Umfang sich Mitarbeiter oder auch und Kunden zum Beispiel zur Abwanderung entschließen werden (Effekt zweiter Ordnung). Erst ist nicht mehr planbar, welche Auswirkungen derartige Abwanderungen auf die verbleibenden Mitarbeiter oder auf Kunden und Lieferanten haben werden (Effekt dritter Ordnung).
Interaktion mit lebendem System statt Abarbeiten eines Kommunikationsplans
Priorisierung und Flexibilität
Diese begrenzte Vorhersagbarkeit hat erhebliche Konsequenzen für das Projektmanagement. Nicht nur, dass eine zu detaillierte Planung meistens vertane Zeit ist – es heißt auch, dass eine konsequente Priorisierung (und deren ebenso konsequente Umsetzung!) noch weit wichtiger ist als bei technischen Projekten. Gerade weil soziale Systeme leicht eine Eigendynamik entwickeln und die dann eintretenden Effekte zweiter und dritter Ordnung kaum noch vorhersagbar und auch nicht mehr ohne weiteres beherrschbar sind, kommt es entscheidend darauf an, den sozialen Prozess aktiv zu steuern.
Aufmerksame Beobachtung
Das verlangt nicht nur, frühzeitig, sorgfältig und “planmäßig” zu kommunizieren, es erfordert auch, die Reaktionen des sozialen Systems aufmerksam zu beobachten, sie richtig zu interpretieren und flexibel und schnell (!) auf sie zu reagieren. Eine zu detaillierte Planung, welche die Reaktionen des Systems vorwegnimmt, statt sie sorgsam zu beobachten, ist eher Teil des Problems als Teil der Lösung. Denn je detaillierter man geplant ist, desto größer ist dann auch der Druck, die geplanten Maßnahmen umzusetzen, statt “immer wieder alles umzustoßen”. Daraus entsteht leicht eine Vorgehensweise, die ihre Rechnung ohne den Wirt macht und die Betroffenen vielleicht gerade deshalb gegen sich aufbringt, weil sie den Eindruck bekommen, dass auf ihre Anliegen überhaupt nicht eingegangen wird.
Aus diesem Grund sind die aufmerksame Beobachtung des Umfelds und flexible Reaktionsfähigkeit im Change Management ungleich wichtiger als bei technischen Projekten.
Flexible Reaktionsfähigkeit
Bei technischen Projekten versucht man ja gerade, den Bedarf für Flexibilität und Improvisation durch detaillierte und sorgfältige Planung zu minimieren, aus der durchaus richtigen Erkenntnis, dass Improvisation keine wirklich geeignete Methode ist, der Komplexität Herr zu werden. Beim Management von Veränderungsprozessen hingegen liegt ein entscheidender Erfolgsfaktor in der Fähigkeit, rasch und flexibel auf die “Eigenbewegungen” des sozialen Systems zu reagieren, also zum Beispiel schnell und konstruktiv auf Ängste, Gerüchte und Widerstände von Individuen, Gruppen wie auch der Belegschaft insgesamt einzugehen.
Dennoch Komplexität ernst nehmen – und planen
Das steht unweigerlich in einem Spannungsverhältnis zu dem Bemühen um eine verlässliche Planung – und erst recht zu dem Bestreben, diese Planung maßstabsgetreu umzusetzen. Daraus darf man jedoch keinesfalls den falschen Schluss ziehen, die Komplexität auf die leichte Schulter zu nehmen und im Change Management weitgehend auf Planung zu verzichten: Mit guter Kommunikation, Empathie und Improvisationsvermögen mag man kleinere Projekte noch beherrschen können; bei größeren ist ein systematisches Projektmanagement unverzichtbar – man sollte es nur nicht allzu detailversessen und mit der nötigen Flexibilität angehen.
Weder Allheilmittel noch nutzlose Erbsenzählerei
Organisatorisches Durcheinander
“Eine straffe Projektorganisation kann in ihrer Bedeutung nicht hoch genug eingeschätzt werden”, schreibt Bernd J. Madauss in seinem Handbuch Projektmanagement: “Viele Projekte scheitern nicht etwa an mangelnder fachlicher Kompetenz der am Projekt beteiligten Mitarbeiter, sondern an dem organisatorischen Durcheinander.” Auch wenn Madauss dabei in geradezu klassischer Weise den sozialen Prozess ausblendet, hat er ohne Zweifel einen Punkt. Denn wenn die Teammitglieder nicht wissen, was ihre Aufgabe ist, wenn Termin- und Ergebniserwartungen unklar sind oder die arbeitsteilig erstellten Puzzlesteine hinterher nicht zusammenpassen, dann wird nicht nur Zeit und Geld verschwendet, sondern es rutscht unweigerlich auch die Stimmung im Team in den Keller, von der Akzeptanz im Unternehmen ganz zu schweigen.
Zwei Arten von Chaos
Wenn wir Projektmanagement in diesem Sinne als “aktive Chaos-Prävention” ansehen, ist es zweckmäßig, zu unterscheiden zwischen organisatorischem Chaos innerhalb des Projektes und chaotischen Verhältnissen zwischen dem Projekt und seinem Umfeld:
Abb.: Projektmanagement ist aktive Chaos-Prävention
Wichtiger Teilaspekt
Wie die Grafik zeigt, deckt Projektmanagement nur einen Ausschnitt dessen ab, was zur Vermeidung von Turbulenzen in einem Projekt getan werden kann und sollte (weiße Felder) – immerhin aber einen Ausschnitt, der gerade bei größeren Projekten in seiner Bedeutung nicht zu unterschätzen ist. Zwar nützt auch die beste Projektorganisation nichts, wenn die Projektleitung die Teammitglieder wie unmündige Kinder behandelt, denen man jedes Detail vorkauen und die man auf Schritt und Tritt kontrollieren muss. Aber das gilt auch umgekehrt: Wenn das Projekt aus organisatorischen Gründen im Chaos versinkt, dann ist es auf die Dauer auch durch noch so großes Bemühen um offene Kommunikation und gute zwischenmenschliche Beziehungen nicht zu retten. Offenkundig haben wir es hier mit zwei Dimensionen zu tun, die beide abgedeckt werden müssen, damit bei einem Projekt ein gutes Ergebnis zustande kommt.
Keine Mystifizierung
Statt das Projektmanagement also zu mystifizieren und es zum Patentrezept für erfolgreiche Projektarbeit zu überhöhen, statt es auf der anderen Seite zur nutzlosen Erbsenzählerei zu erklären, ist ein Schuss Pragmatismus angebracht: Jedes Projekt sollte mit dem planerischen und organisatorischen Aufwand gesteuert werden, der ihm nach seiner Komplexität und Schwierigkeit angemessen ist – nicht mit mehr, aber auch nicht mit weniger. Wichtig ist dabei nur, sich von der ebenso verbreiteten wie unrealistischen, beinahe magischen Erwartung zu lösen, dass sich bei sorgfältigem (oder übersorgfältigem) Projektmanagement sämtliche Probleme in Luft auflösen würden. Eine solche Überbewertung der Projektplanung ist nicht nur unsinnig, sondern gefährlich, denn weder fachliche noch zwischenmenschliche noch politische Probleme sind durch Projektmanagement zu beheben. Das Projektmanagement hilft lediglich zu verhindern, dass durch planerische oder organisatorische Unzulänglichkeiten unnötige Probleme und Komplikationen entstehen – frei nach dem Motto: “Die Welt ist auch ohne unser Zutun kompliziert genug!”
Grundlegende Fehler im Projektmanagement oder: Zehn Wege, wie es nicht funktioniert
Klärung der Ausgangsbasis
Dementsprechend beginnt Projektmanagement nicht mit Planung, sondern mit einer ganzheitlichen Einschätzung des Projekts und seiner voraussichtlichen Knackpunkte, die unmittelbar nach der Auftragsklärung vorgenommen werden muss: Was sind die zentralen Erwartungen des Auftraggebers? Welche Vorerfahrungen hat das Unternehmen mit früheren Projekten, welche “Altlasten” liegen aus der Vergangenheit möglicherweise vor? Was ist das Problem hinter dem Sachproblem? Welche “gruppendynamischen” Barrieren stehen seiner erfolgreichen Realisierung im Weg?
Angemessenes Herangehen
So banal es klingen mag, so wichtig ist es, das Projekt von Anfang an vernünftig zu definieren und sich im Team auf eine angemessene Herangehensweise zu verständigen. Was zugegebenermaßen keine sehr präzise Aussage ist – aber auch schwierig präziser zu fassen ist. Es geht buchstäblich darum, das Projekt nicht zu groß anzulegen, aber auch nicht zu klein, nicht zu grundsätzlich, aber auch nicht zu oberflächlich, nicht zu technokratisch, aber auch nicht zu “gruppendynamisch”. Welche Fehler man dabei vermeiden sollte, lässt sich vielleicht am besten durch eine karrikierende Überzeichnung veranschaulichen:
Meide die Komplexität!
Die richtige Balance
Wie die “Irrwege” zeigen, hat eine vernünftige Projektkonzipierung viel damit zu tun, die richtige Balance zu finden zwischen Extremen auf der einen und auf der anderen Seite. Das ist in der Theorie einfach und in der Praxis schwierig, heißt es doch, einen Ausgleich zwischen widersprüchlichen Anforderungen zu finden: Komplexitätsreduktion einerseits, “Quantensprünge” andererseits; Pragmatismus einerseits, dem Mut zum grundsätzlichen Hinterfragen andererseits; Über-Planung einerseits, chaotische Improvisation andererseits. Die Erfahrung zeigt, dass das Misserfolgsrisiko eines Vorhabens umso größer ist, je höher seine Komplexität ist – einfach weil der menschlichen Fähigkeit, Komplexität zu beherrschen, beklagenswert enge Grenzen gesetzt sind (Dörner 1989; Reither 1997). Auf der anderen Seite genügt es oftmals nicht, sich mit kleinen Schritten zufrieden zu geben. Statt beispielsweise an einem Arbeitsablauf nur Details zu verbessern, macht es sehr wohl Sinn, den Ablauf insgesamt zu überdenken und ihn grundsätzlich in Frage zu stellen: Was hat der Kunde eigentlich davon, dass wir das überhaupt machen, und wie viel ist er bereit, dafür zu bezahlen? Da ein Arbeitsablauf aber im richtigen Leben meistens mit anderen Arbeitsabläufen verzahnt ist, steigt mit der “Grundsätzlichkeit” zwangsläufig auch die Komplexität.
Komplexität reduzieren
Je grundsätzlicher man an eine Fragestellung herangeht, desto komplexer wird ihre Bearbeitung, und desto geringer wird die Wahrscheinlichkeit, sie jemals zu einem guten Ende zu bringen. Angesichts des (nicht nur deutschen) Hangs zur endgültigen und perfekten Lösung ist daher die Mahnung angebracht, gerade bei anspruchsvollen Projekten nicht “draufzusatteln”. Natürlich wäre es oftmals großartig, wenn mit der eigentlichen Kernfragestellung auch noch 32 angrenzende Probleme miterledigt würden; entsprechend groß ist für den Auftraggeber die Versuchung, sie auch noch in den Auftrag hineinzupacken. Trotzdem oder gerade deshalb der dringende Rat: Tun Sie es nicht, wenn es nicht unbedingt sein muss. Ein bescheidenerer Anspruch mindert zwar die Vorfreude auf das erwartete Ergebnis, aber es erhöht erheblich die Wahrscheinlichkeit, seine Realisierung zu erleben. Halten Sie sich daher bei der Projektkonzipierung immer vor Augen, dass Ihre Hoffnungen umso sicherer enttäuscht werden, je höher Sie sie schrauben!
Vorstands argumente
Nun kommt das typische Vorstandsargument: “Aber das kann doch nicht mehr so viel Zusatzaufwand sein, wenn Sie ohnehin schon dies und jenes untersuchen!” Oder, etwas dringlicher: “Es wäre wirklich ein großer Gewinn für das gesamte Unternehmen!” Oder, mit ein bisschen Verführung garniert: “Ich bin mir sicher, dass Sie das mit links erledigen! Ihnen traue ich da noch ganz andere Aufgaben zu!” Jeder Projektmanager weiß aus Erfahrung, wie schwer es ist, solchen Argumenten zu widerstehen. Es tut ja so unglaublich wohl, sich (endlich!) in der Rolle des unentbehrlichen und unwiderstehlichen Supermanns erkannt zu sehen. Vielleicht hilft es, sich angesichts dieser Verführung bewusst zu machen, dass am Ende nicht die Vorschusslorbeeren zählen, sondern die tatsächlich abgelieferten Ergebnisse. Das Glücksgefühl ist von kurzer Dauer, wenn man sich vor lauter Ehrgeiz und Begeisterung zu viel vornimmt. Bitte machen Sie sich deshalb im blanken Eigeninteresse klar: Ihre Erfolgschancen sinken mit jeder zusätzlichen Komplexität, die Sie sich ans Bein binden (lassen)!
Nichts ist so einfach wie es aussieht
Bevor Sie daher Wünschen nach einer Erweiterung des Projektumfangs zustimmen oder Ihrer eigenen Neigung zu allumfassenden Lösungen nachgeben, bedenken Sie die alte Projektmanagement-Weisheit: “Nichts ist so einfach wie es aussieht!” Die Wahrscheinlichkeit ist ziemlich groß, im Vorfeld eines Projekts sowohl dessen Komplexität als auch die bevorstehenden Komplikationen zu unterschätzen. Nicht alles wird so funktionieren, wie Sie gedacht, geplant oder gehofft haben. Was auch nicht weiter schlimm ist; das sorgt eher für eine gewisse Spannung und Abwechslung im grauen Alltag. Aber es wird zum Problem, wenn die Planung “auf Kante genäht” ist, sich die Komplexität aus den verschiedensten Quellen aufhäuft und einem schließlich über den Kopf wächst. Deshalb ist es in aller Regel klüger, nicht im ersten Anlauf den “großen Wurf” anzustreben, sondern, wo immer möglich, eine schrittweise Realisierung in mehreren Etappen (“Releases”) anzusteuern. Das ist zwar weniger spektakulär, aber besser für Akzeptanz und Karriere.
Instrumente (“Tools”) des Projektmanagements
Klassisches Instrumentarium
- Beim Management von Veränderungsvorhaben kommen weitgehend dieselben Instrumente zum Einsatz wie bei anderen Projekten, nur dass die “Planungstiefe” aus den genannten Gründen nicht so detailliert zu sein braucht wie bei technischen Projekten, dass es aber zum Ausgleich noch wichtiger ist als dort, auch den sozialen Prozess vorzustrukturieren. Hier eine Übersicht über die wichtigsten “Tools” und Instrumente:
Auftragsklärung: Der Auftraggeber (“Project Owner”) muss – eventuell in Zusammenarbeit mit dem ausgewählten Projektleiter und/oder externen Beratern – festlegen, was die Ziele des Projekts sind, wie die grobe Vorgehensweise aussehen soll und welche Eckdaten und Rahmenbedingungen dabei zu berücksichtigen sind. (Falls nicht so recht klar ist, wer eigentlich der Auftraggeber ist, muss dies vorrangig geklärt werden.) Berücksichtigen Sie dabei auch die Vorgeschichte, insbesondere der Verlauf vorausgegangener Veränderungsvorhaben, und ganz besonders bereits unternommene, aber gescheiterte Versuche, das aktuelle Problem zu lösen. Machen Sie sich schon zu diesem Zeitpunkt Gedanken, welche Befürchtungen, Hoffnungen und Interessen die verschiedenen Interessengruppen im Unternehmen mit dem Projekt verbinden und wie Sie mit ihnen aktiv und gestaltend umgehen könnten. Am besten ist es, die Ergebnisse all dieser Überlegungen in einem schriftlichen Projektauftrag zusammenzufassen.
Vorbereitungsphase: Eine vernünftige Vorgehensweise beginnt nicht mit dem Kickoff-Meeting, sondern mit sowohl inhaltlicher als auch sozialer Vorbereitung. Einer der wichtigsten und am häufigsten vergessenen Punkte ist, einen ausreichend breiten Zielkonsens im Management über Ziele und Vorgehen herbeizuführen; nötigenfalls muss davor erst einmal Klarheit über den Handlungsbedarf herbeigeführt werden. Weiter muss die Projektstruktur definiert werden, einschließlich der Rollenverteilung zwischen den direkt oder indirekt Projektbeteiligten; dabei sollten Sie unbedingt auch prüfen, welche Konfliktpotenziale in der Vorgehensweise und/oder der Rollenverteilung angelegt sind. Festzulegen ist auch, wie Projektcontrolling, Qualitätssicherung und Risikomanagement erfolgen sollen. Zur notwendigen Vorbereitung zählt weiter die Auswahl und Einladung des Projektleiters und der Teammitglieder, denn wenn sie ohne vorherige Information oder gar gegen ihren Willen für das Projekt “abkommandiert” werden, kann man weder Begeisterung noch großes Engagement erwarten. Schließlich muss von Anfang an für eine angemessene Kommunikation über das Projekt gesorgt werden.
Projektplanung: Auch wenn Ziele und grobe Vorgehensweise zu diesem Zeitpunkt bereits feststehen, muss im nächsten Schritt das konkrete Vorgehen weiter ausgearbeitet werden. Hier werden Projektphasen, Teilaufgaben und Arbeitspakete festgelegt, und auf dieser Basis entstehen genauere Zeitpläne samt Zwischenterminen und Meilensteinen, die dann auch zur Grundlage der Qualitätssicherung werden. Zur Projektplanung gehört unbedingt auch die Kommunikationsplanung, das heißt die Frage, wie die nicht unmittelbar am Projekt Mitwirkenden informiert und einbezogen werden sollen. Zu klären ist an dieser Stelle weiterhin, wie die Dokumentation der Projektbesprechungen und Arbeitsergebnisse erfolgen soll.
Projektsteuerung: Solange alles wie geplant läuft, kann sich die Projektsteuerung im Grunde darauf beschränken, auf der Basis des Projekt-Controllings von Zeit zu Zeit festzustellen, dass alles wie geplant läuft. Auch bei optimalem Verlauf ist allerdings wichtig, das Risikomanagement fortzuschreiben, denn wenn es nur aus einem alten Formblatt besteht, das ganz am Anfang einmal ausgefüllt und dann vergessen wurde, war es eine nutzlose Übung. Deshalb ist es ratsam, regelmäßig zu prüfen, ob sich irgendwelche konkreten Risiken für Termine, Qualität oder Kosten abzeichnen. Zusätzliche Arbeit gibt es, wenn das Projekt-Controlling ernsthafte Abweichungen von der ursprünglichen Planung meldet: Dann muss die Planung überprüft und angepasst werden.
Projektauswertung / Evaluation: Viele Projekte enden ohne gemeinsame Auswertung – manche, weil sie zeitlich in Verzug geraten sind und daher längst die nächsten Aufgaben warten, andere, weil man so schnell wie möglich den Mantel des Vergessens über sie breiten möchte, wieder andere, weil man müde ist und keine Lust auf etwas hat, was viele für eine formale Pflichtübung halten (“Wir wissen doch eh alle, was wir beim nächsten Mal besser machen müssen …”). Doch das Überspringen der Auswertung ist eine vertane Chance, denn aus Erfahrung wird man nur dann klüger, wenn man aus ihr lernt. Zwar zieht auch so mit Sicherheit jeder seine individuellen Schlussfolgerungen aus den gemachten Erfahrungen (und wenn sie auch nur lautet: “Mit denen nie wieder!”), doch ein gemeinsames Lernen setzt eine gemeinsame Auswertung voraus. Dabei geht es nicht um eine aufwändige “Evaluation”: Ein zwei- bis vierstündiger Workshop unter der Überschrift “Lessons Learnt” genügt meistens – insbesondere wenn sich jemand die Mühe macht, die wichtigsten Erkenntnisse zu dokumentieren.
Management von Konflikten und Krisen
Nicht im klassischen Sinne zum Projektmanagement zählend, aber dennoch notwendiger Bestandteil des Managements von Veränderungsprojekten ist der Umgang mit Widerständen und Konflikten. Beides kann nicht nur die kurzfristige Verschiebung von Prioritäten erzwingen, sondern auch erheblichen Einfluss auf das weitere Vorgehen haben. Das gilt erst recht auch für die Bewältigung von Krisen, die schlicht darin bestehen, dass die Verantwortlichen angesichts einer aktuellen Problemlage mit ihrem Latein am Ende sind, jedenfalls fürs erste. Zum Krisemanagement kann auch der Relaunch eines angeschlagenen Projekts oder der endgültige Projektabbruch zählen.
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Über den Autor
Winfried Berner ist Autor von zahlreichen Fachbüchern zu den Themen Change-Management, gezieltem Kulturwandel, Post-Merger Integration und anderen Themen der Organisationsentwicklung. Seit 2024 ist sein Unternehmen Teil der initio Organisationsberatung.