Inhaltsverzeichnis:
Bedeutung der Vorgeschichte
Vorerfahrungen prägen die Erwartungen
- Welche Vorerfahrungen hat Ihr Unternehmen mit Veränderungen? Waren bisherige Veränderungsvorhaben überwiegend erfolgreich oder sind sie zumeist gescheitert?
- Falls letzteres: Wie sind die letzten Projekte in Ihrem Hause gestorben? Fuhren sie mit großem Knall gegen die Wand oder ließ man sie sanft einschlafen, sodass irgendwann niemand mehr über sie sprach?
- Welche Erwartungen verbinden die Mitarbeiter daher vermutlich mit dem neuen Projekt – und wie gedenken Sie als Auftraggeber oder designierter Projektleiter, mit diesen Erwartungen umzugehen?
Der “Mutpegel” Ihres Unternehmens
Es gibt Unternehmen, in denen, ohne dass groß darüber gesprochen wird, eine absolute und zweifelsfreie Sicherheit herrscht, dass auch das neue Veränderungsvorhaben erfolgreich umgesetzt werden wird (und in denen daher kaum verstanden wird, weshalb man überhaupt über Change Management reden muss). Und es gibt andere, die ähnlich zweifelsfrei davon überzeugt sind, dass aus den Ankündigungen und großspurig verkündeten Neuanfängen ohnehin nichts werden wird. Solche Organisationen reagieren mit einer schwer behebbaren Mischung aus Ablehnung, Depression und Zynismus auf jedes neue Veränderungsvorhaben.
Reaktionen
- Aufbruchsstimmung (“Also gut, packen wir’s an!”)
- Abwarten (“Mal sehen, was daraus wird!”)
- Desinteresse, Achselzucken (“Angekündigt wird viel!”)
- Genervtes Abwinken (“Die schwätzen doch eh bloß!”)
- Unruhe (“Möglicherweise meinen sie es ja ernst!”)
- Misstrauen und latente Panik (“Was da wohl wieder für eine Schweinerei dahinter steckt?!”)
- Fatalismus (“Am Ende läuft sowieso alles auf Personalabbau hinaus!”).
Fallbeispiel
Ein äußerst lehrreiches Beispiel habe ich vor Jahren bei einem großen Elektronikkonzern erlebt, als wir vor der Führungsmannschaft einer Sparte für unser Beratungsprojekt warben. Die Reaktion der rund 60 Teilnehmer war äußerst verhalten; ihre wichtigste Frage schien unausgesprochen zu sein: Wie lange dauert es denn noch? Bis sich ein Abteilungsleiter meiner erbarmte und unter dem beifälligen Nicken seiner Kollegen erklärte: “Wissen Sie, Herr Berner, wir verstehen ja, dass Sie hier für dieses Projekt werben müssen. Aber verstehen Sie bitte auch uns: Das hier ist für uns Projekt Nr. 76. Davor war Projekt Nr. 75, und so wie wir unseren Vorstand kennen, wird in Bälde Projekt Nr. 77 folgen. Also, solange Sie uns nicht davon überzeugen, dass dies Projekt Nr. 1 ist, haben Sie bitte Verständnis, wenn wir hier keinen großen Enthusiasmus entwickeln!”
Resignierte Unternehmen
Auch wenn es nicht ganz einfach war, darauf eine gute Antwort zu geben, war dies eine extrem wertvolle Aussage, weil sie die diffuse und kaum interpretierbare Passivität der Führungskräfte in Sprache übersetzte. Deutlicher als dieser Abteilungsleiter kann man nicht ausdrücken, dass man aufgrund der Vorerfahrungen keinerlei Hoffnung mit neuen Projekten verbindet. Das machte das dumpfe, apathische Klima der Versammlung nicht nur verständlich, sondern geradezu logisch: Wenn die Führungsmannschaft ihren Vorstand so wahrnahm, wie sollte sie sich dann für ein neu ausgerufenes Change-Projekt engagieren, geschweige denn, begeistern?!
Veränderungsbereitschaft und Veränderungsfähigkeit
Zwei Paar Stiefel
All diese Überlegungen münden am Ende in zwei Schlüsselfragen: die nach der Veränderungsbereitschaft und die nach der Veränderungsfähigkeit Ihres Unternehmens.
Verwechslungsgefahr
Obwohl das zwei grundverschiedene Dinge sind, sind sie in der Praxis gar nicht so leicht zu unterscheiden. Denn mangelnde Veränderungsfähigkeit geht sehr häufig mit geringer Veränderungsbereitschaft einher: Eine Organisation, die weiß oder ahnt, dass sie große Probleme damit haben wird, Veränderungen zu bewältigen, neigt dazu, die Notwendigkeit von Veränderungen zu ignorieren oder zu leugnen. Sie wird Probleme erst dann zur Kenntnis nehmen, wenn sie unabweisbar und brennend geworden sind. Dann jedoch werden sie unversehens zur Krise: Die Führungskräfte und Mitarbeiter erstarren vor Angst, weil sie eine Katastrophe auf sich zukommen sehen und sich ihr gegenüber komplett hilflos fühlen.
Geringe Veränderungsbereitschaft
Die Unterscheidung ist wichtig, weil die Handlungskonsequenzen völlig unterschiedlich sind. Solange (nur) die Veränderungsbereitschaft gering ist, haben Sie vor allem ein Kommunikationsproblem: Ihre Führungskräfte und Mitarbeiter werden erst dann bereits sein, die Veränderungen mitzugehen und mitzutragen, wenn Sie sie davon überzeugt haben, dass tatsächlich dringender Handlungsbedarf besteht. Wie Sie das erreichen können, lesen Sie im Abschnitt Handlungsdruck: “Establishing A Sense of Urgency” – aber wie?
Mangelnde Veränderungsfähigkeit
Wenn das Problem hingegen in mangelnder Veränderungsfähigkeit liegt, nützt Ihnen die beste Kommunikation nichts – dann bleiben Ihnen im Grunde nur zwei Möglichkeiten: Entweder Sie suchen die Unterstützung externer Berater, und/oder Sie bauen die Veränderungsfähigkeit Schritt für Schritt auf, indem Sie mit kleineren Projekten beginnen, für deren erfolgreichen Verlauf sorgen, und sich dann allmählich größeren Vorhaben zuwenden. Falls Sie dafür genügend Zeit haben.
Fördern von Veränderungsbereitschaft und Ermutigung des Unternehmens
Interne Elite aufbauen
Falls Sie den internen Weg gehen wollen, bauen Sie am besten eine kleine interne Elitegruppe auf, die Sie mit besonderen Aufgaben betrauen und ihnen dafür die besondere Aufmerksamkeit und Rückendeckung der Geschäftsleitung zu sichern. Von entscheidender Bedeutung ist dabei, dass die ersten Projekte erfolgreich verlaufen. Denn bei einem Misserfolg wird nicht nur Ihre Elite, sondern das ganze Unternehmen noch mutloser werden als es ohnehin schon ist. Deshalb wählen Sie die Aufgabe so, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit innerhalb weniger Monate erfolgreich zu bewältigen ist, und geben dem Projektteam bei Bedarf Rückendeckung, fordern ihm aber auch gute Leistungen und hohen Einsatz ab!
Keinen Gegensatz entstehen lassen
Wichtig ist aber, diese interne Elitegruppe nicht in eine Gegenposition zum Rest des Unternehmens zu bringen, indem sie sich als etwas Besseres fühlt als “diese mutlosen Dödel”. Denn nur wenn diese Elite als Teil der Mannschaft wahrgenommen wird, bekommt sie die erforderliche Unterstützung von den Mitarbeitern und Führungskräften, nur dann gönnt man ihnen einen Erfolg, und nur dann wird ihr Erfolg zur Ermutigung für das gesamte Unternehmen. Fühlen sie sich dagegen als etwas Besseres und treten entsprechend auf, werden sie für alle Übrigen schnell zum Feindbild, und man will dann nicht mehr ihren Erfolg, sondern will sie im Gegenteil scheitern sehen.
Bunt gemischte Zusammensetzung
Deshalb ist der Begriff Elite gefährlich, auch wenn ich ihn hier verwende, um die besondere Rolle dieser Gruppe deutlich zu machen, und sollte nicht zu deren Kennzeichnung verwendet werden. Um keine Gegenposition entstehen zu lassen, sollte sich diese Gruppe auch nicht nur aus “jungen Wilden” zusammensetzen, sondern auch erfahrene Mitarbeiter und Führungskräfte einschließen – natürlich insbesondere solche, die ein Stück mutiger und veränderungswilliger sind als der Durchschnitt.
Schrittweise Erweiterung
Auch sollte diese “Elite” keine geschlossene Truppe sein, sondern schrittweise erweitert werden: Wann immer ein solches Team ein Vorhaben zum Erfolg geführt hat, kommen andere hinzu, die auch gerne Teil des Erfolges sein würden. Sie gilt es zu erkennen, einzuladen und zu integrieren, damit aus einer kleinen Elite schrittweise ein immer mutigeres und damit auch veränderungsfähigeres Unternehmen wird.
Diagnose, Teil 1: Bestimmung des Veränderungsbedarfs
Diagnose, Teil 2: Vorerfahrungen / Veränderungsbereitschaft und Veränderungsfähigkeit
Diagnose, Teil 3: Typologie von Veränderungsprozessen
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Über den Autor
Winfried Berner ist Autor von zahlreichen Fachbüchern zu den Themen Change-Management, gezieltem Kulturwandel, Post-Merger Integration und anderen Themen der Organisationsentwicklung. Seit 2024 ist sein Unternehmen Teil der initio Organisationsberatung.