HomeMethoden & WissenPMI – Post Merger IntegrationÜbernahme, Merger, Fusion, Akquisition, Takeover, Integration: Was sich hinter den Begriffen verbirgt
Zahlreiche Schlagwörter und Fachbegriffe ranken sich um den
Zusammenschluss von Unternehmen: Fusion, Übernahme, Merger, Akquisition,
Mergers & Acquisitions, Takeover, Feindliche Übernahme, Integration,
Post-Merger-Integration. Hier werden sie geordnet und erklärt; außerdem
wird ihr strategischer Hintergrund erläutert.

Begriffswirrwarr

Übernahme, Akquisition, Takeover

Eine Übernahme bzw. ein Unternehmenskauf (engl. Acquisition oder Takeover) liegt dann vor, wenn ein Unternehmen von einem anderen aufgekauft wird. Meistens ist das übernehmende Unternehmen das größere, aber es gibt auch Übernahmen von gleich großen oder sogar größeren Unternehmen. Je nach Rechtsform und Eigentümerstruktur kann (bzw. muss) die Übernahme auf unterschiedliche Weise realisiert werden: Bei einem im Privatbesitz befindlichen Unternehmen müssen Käufer und Verkäufer lediglich den Kaufvertrag aushandeln und dann zum Notar gehen. Bei einem börsennotierten Unternehmen kann der Käufer entweder durch Kauf oder Tausch Aktienpakete von Großaktionären übernehmen oder er kann schrittweise Aktien aufkaufen, die sich im Streubesitz befinden. Je nach Konstellation gibt es etliche weitere Möglichkeiten. Für börsennotierte Unternehmen gelten dabei strenge Regeln – beispielsweise, dass sich Großaktionäre bei Überschreiten einer bestimmten prozentuellen Schwelle offenbaren müssen, oder dass Minderheitsaktionären, wenn ein neuer Eigentümer die unternehmerische Führung übernommen hat, ein Abfindungsangebot gemacht werden muss – bzw. dass sie sogar aus dem Unternehmen herausgedrängt werden können (“Squeeze Out”). Dies ist ein im doppelten Wortsinne reiches Betätigungsfeld für spezialisierte Juristen – und oftmals eine Quelle zusätzlicher Verunsicherung für die Belegschaften.

Feindliche Übernahmen und andere Hindernisse

Feindliche Übernahme

Von einer feindlichen Übernahme (“Hostile Takeover”) spricht man, wenn das Top-Management des übernommenen Unternehmens bzw. dessen derzeitige Mehrheitsaktionäre die Übernahme nicht wollen. Auf die Sichtweise der Mitarbeiter wird dabei üblicherweise keine Rücksicht genommen – sonst wären wohl die allermeisten Übernahmen “feindlich”, weil von den Beschäftigten unerwünscht. Ob eine Übernahme freundlich oder feindlich ist, hat für den Integrationsprozess keine allzu großen Konsequenzen: Die Abstoßungsreaktionen des übernehmenden Unternehmens kommen unabhängig von den Motiven der Eigentümer und Vorstände ebenso vorhersagbar wie die Nöte der Stellenbesetzungen. Allenfalls ist nach einer langen “Abwehrschlacht” die Stimmung etwas aufgeheizter, was in den ersten Wochen etwas höhere Anforderungen die Kommunikation und die Kommunikatoren stellt.

Fusion, Merger

Eine Fusion oder Verschmelzung (“Merger”) liegt dann vor, wenn zwei (oder mehrere) Unternehmen sich zu einem neuen zusammenschließen. Das ist juristisch und steuerrechtlich komplizierter, weil es unter Umständen ganz unterschiedliche Folgen hat, ob das eine Unternehmen formal in das andere integriert wird oder ob die beiden Unternehmen auf eine neu gegründete oder bereits bestehende Gesellschaft verschmolzen werden. Fusionen haben aber gegenüber einer Übernahme zum einen den finanziellen Vorteil, dass dafür sehr viel weniger Kapital benötigt wird – jedenfalls dann, wenn die beiden Unternehmen sich wirklich vereinigen. Denn dann müssen nur die Kosten der Integration bezahlt werden, nicht aber irgendwelche Kaufpreise. Selbst Wertdifferenzen zwischen den Ursprungsunternehmen können zum Beispiel durch das Umtauschverhältnis der Aktien ausgeglichen werden. Zum anderen kann es den psychologischen Vorteil haben, dass optisch keines der Unternehmen der Verlierer ist, weil es vom anderen gekauft und “geschluckt” wurde. Für das Management der Integration sind die rechtlichen Konstruktionen aber im Allgemeinen ohne Belang: Für die Mitarbeiter und Führungskräfte ist weniger die gewählte Rechtskonstruktion von Bedeutung als das, was real mit ihnen und ihren Unternehmen geplant ist bzw. passiert.

Nationale und internationale Kartellbehörden

Sowohl größere Übernahmen als auch Fusionen müssen durch die Kartellbehörden genehmigt werden, teils auf nationaler, teils auf europäischer bzw. internationaler Ebene. Das kann nicht nur viel Zeit kosten, es kann auch einigen Einfluss auf das am Ende entstehende Gebilde haben. Denn um zu verhindern, dass das neue Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung bekommt, bestehen die Kartellbehörden oft auf dem Verkauf von Unternehmensteilen oder Tochtergesellschaften, die strategisch großen Reiz gehabt hätten. Für die betroffenen Unternehmensbereiche und ihre Mitarbeiter kann das bedeuten, dass sie sich unversehens in einer völlig anderen Art von Unsicherheit wiederfinden: Nicht am Anfang eines Integrationsprozesses, sondern auf der Verkaufsliste.

Betriebsübergang

Sowohl Übernahmen als auch Fusionen können, sofern sie in Deutschland stattfinden, einen Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB darstellen, der für die Dauer eines Jahres einen weitgehenden Besitzstandsschutz für die Arbeitnehmer garantiert. Und zwar immer dann, wenn es sich um einen sogenannten Asset Deal handelt, also um den vollständigen Verkauf eines Unternehmens oder Unternehmensteils an einen neuen Eigentümer. Handelt es sich dagegen um einen sogenannten Share Deal, also um den Verkauf oder Tausch von Aktien an einer AG, liegt kein Betriebsübergang vor. Denn dann bleibt die Aktiengesellschaft ja weiterhin der Arbeitgeber; sie gehört nur jemandem anderen.

Der strategische Hintergrund

Diversifizierung

Prinzipiell kann man ein Unternehmen natürlich auch kaufen, ohne irgend eine Art von Integration vorzunehmen. Es handelt sich dann entweder um eine reine Finanzanlage oder um eine “Diversifizierung”, das heißt um den Einstieg in ein Geschäftsfeld, das mit dem heutigen nichts oder nur lose zu tun hat – und deshalb auch kaum Potenziale für Synergien bietet. Solche Diversifikationen waren eine Zeit lang sehr angesagt, sind aber aus der Mode gekommen, nachdem sich herausstellte, dass der Kapitalmarkt die Aktien von Mischkonzernen oder Konglomeraten eher ungnädig behandelt. Der Grund dafür ist, dass der Anleger keine Mischkonzerne braucht, um zu diversifizieren – dazu braucht er sich bloß verschiedene Aktien kaufen. Ein diversifizierter Konzern entzieht dem Anleger Gestaltungsmöglichkeiten, weil dessen diversifiziertes Portfolio nur noch im Paket kaufen kann – und dafür “bestraft” ihn der Kapitalmarkt durch niedrigere Kurse. Auch das gängige Argument, dass ein diversifiziertes Unternehmen weniger anfällig gegen Kursschwankungen sei, konnte den Kapitalmarkt nicht beeindrucken. Denn das gilt nicht nur für Schwankungen nach unten, sondern auch für solche nach oben.

Synergie setzt Integration voraus

Um zu den beim Kapitalmarkt überaus beliebten Synergieeffekten zu kommen, um derentwillen Fusionen und Übernahmen hauptsächlich veranstaltet werden, ist jedoch eine Zusammenführung der Unternehmen erforderlich – entweder in Teilen oder als vollständige Integration. Dies möglichst schnell und möglichst reibungslos zu bewerkstelligen, ist Aufgabe der Post-Merger-Integration, eines der schwierigsten Spezialgebiete des Change Management.

“Größen-Wahn” oder Notwendigkeit?

Was ist überhaupt der Grund dafür, dass es in den letzten Jahren und Jahrzehnten zu so vielen Übernahmen und Fusionen kommt? Eine populäre Erklärung ist der “Größen-Wahn”, den Medien und Öffentlichkeit den betreffenden Vorständen unterstellen, oder gar das persönliche Verlangen nach Macht und Einkommen. Auch wenn es naiv wäre, solche Motive völlig auszuschließen, gibt es auch schwerwiegende betriebswirtschaftliche Gründe, die dafür sprechen (können), ein Unternehmen zu kaufen oder sich mit einem Wettbewerber zusammenzuschließen.

Kostenvorteile durch Größe

Der wohl wichtigste Grund ist, dass in vielen Geschäftsfeldern (aber längst nicht in allen!) die Größe eines Unternehmens eine erfolgsentscheidende Rolle spielt, oder genauer: Seine relative Größe im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern. In vielen Branchen verdient heute nur noch der Marktführer, der zweit- und eventuell der drittgrößte Akteur Geld, weil die “Platzhirsche” erhebliche Kostenvorteile haben – von Entwicklung über Einkauf und Produktion bis hin zu Vertrieb und Service. Wenn man nun zufällig die Nummer 5 oder 6 in solch einem Markt ist, kann man entweder weinend nach Hause gehen, weil man das Spiel verloren hat, oder man muss es irgendwie schaffen, in die Spitzengruppe vorzudringen.

Die zwei Wege zum Wachstum

Dafür gibt es im Grunde nur zwei Möglichkeiten, nämlich zum einen das sogenannte “organische Wachstum” über den Zugewinn von Marktanteilen, zum anderen die Übernahme eines Konkurrenten bzw. die Fusion mit ihm (wofür zuweilen der unsinnige Begriff des “anorganischen” Wachstums verwendet wird). Um Marktanteile zu gewinnen, muss man entweder die vorhandenen Wettbewerber entweder im Preis unterbieten, oder man muss attraktive Innovationen bieten. Einen Preiskampf anzuzetteln, ist aber in aller keine gute Idee, weil die Wettbewerber dabei fast unweigerlich nachziehen. Das heißt, statt des höheren Marktanteils erreicht man damit am Ende nur eine Senkung des Preisniveaus in der gesamten Branche und damit geringere Erträge. Echte Innovationen, durch die man neue Kunden in Scharen gewinnt, sind in reifen Märkten dünn gesät, deshalb ist dort ein Wachstum im Grunde nur über Fusionen und Übernahmen möglich.

Nicht Rechenspiele bringen Synergien, sondern nur eine erfolgreiche Integration

Internationalisierung

Was diese Entwicklung zusätzlich beschleunigt, ist, dass sich viele Geschäftsfelder zunehmend internationalisieren oder gar globalisieren. Internet, Euro und sinkende Transportkosten haben hier zusätzliche Schübe ausgelöst, aber die Entwicklung läuft schon seit vielen Jahren unaufhaltsam. Plötzlich genügt es zum Beispiel im Bankensektor nicht mehr, eine gute Position im heimischen Markt zu haben, sondern es geht um eine führende Position in Europa – zuweilen schon mit einem schüchternen Blick über den Atlantik.

Beispiel Banken

Beispielsweise war die Fusion der österreichischen “Länderbank” mit der “Z”, der früheren Wiener Zentralsparkasse, zur Bank Austria noch eine rein innerösterreichische Angelegenheit. Die Fusion der Bank Austria, die durch den Zusammenschluss zur größten Bank in Österreich geworden war, mit der Creditanstalt, der Nummer 2, geschah bereits mit klarem Blick auf den europäischen Markt. Doch über das fusionierte Unternehmen hieß es zurecht, es sei “für Österreich zu groß und für Europa zu klein”. Erst die Übernahme durch die HypoVereinsbank – ihrerseits rein innerdeutsch aus der Fusion der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank mit der Vereinsbank hervorgegangen – vollzog den Schritt zu einem ernsthaften Mitspieler im europäischen Markt. Dass dies immer noch nicht das letzte Wort war, zeigt die Übernahme der HVB durch die italienische Unicredito – und ob damit das “Ende der Geschichte” erreicht ist, wird die Zukunft zeigen.

Globalisierung

Vor einer ähnlichen Situation stehen viele mittelständische Unternehmen, die die Absicht oder Notwendigkeit haben, im benachbarten Ausland Fuß zu fassen, aber auch jeder Großkonzern, der seine Marktposition auf einem anderen Kontinent ausbauen will oder muss. Da diese Märkte ja in der Regel besetzt sind, würde ein Verdrängungswettbewerb Jahrzehnte dauern und die Gefahr eines Preiskriegs auslösen. Also heißen die Alternativen auch hier Fusion (DaimlerChrysler) oder Übernahme (Renault Nissan). Allerdings zeigt das erstgenannte Beispiel, dass trotz der theoretisch errechenbaren Synergieeffekte nicht alles fusionierbar ist, was sich ungefähr im selben Markt bewegt. Doch meist sind es weniger unüberbrückbare kulturelle Unterschiede, die einer echten Verschmelzung im Wege stehen, als grundlegende technische Differenzen und/oder inkompatible Arten, das Geschäft zu betreiben.

Synergien durch Integration

Die eigentliche Herausforderung beginnt in all diesen Fällen erst nach der Unterschrift. Denn das Aufrücken in die Klasse derer, die im jeweiligen Geschäft Geld verdienen, geschieht nicht durch die Addition der Bilanzen, sondern durch das reale Einspielen von Synergien – und davor haben die Götter die Knochenarbeit der Integration gesetzt. So lange die Nummer 4 und die Nummer 5 zwar rechnerisch zur Nummer 2 aufgestiegen sind, aber die Synergien nicht wirklich erarbeitet haben, bleiben sie unabhängig von der neuen Rechtsform in Wirklichkeit Nummer 4 und 5 und verlieren Geld – wahrscheinlich sogar mehr als vorher.

 

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Über den Autor

Winfried Berner ist Autor von zahlreichen Fachbüchern zu den Themen Change-Management, gezieltem Kulturwandel, Post-Merger Integration und anderen Themen der Organisationsentwicklung. Seit 2024 ist sein Unternehmen Teil der initio Organisationsberatung

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