HomeMethoden & WissenPsychologieGerüchte: Von Dramatisierung und kollektiven Befürchtungen
Man kann gegen Gerüchte sagen, was man will: Sie sind eine äußerst effiziente Form von Kommunikation. Kein anderes Medium löst mit ähnlich geringem Management-Aufwand vergleichbar nachhaltige Wirkungen aus. Das einzige Problem ist, dass man sie nicht unter Kontrolle hat: Meistens kommen sie einem in die Quere – besonders dann, wenn mehr an ihnen dran ist als man (wahr)haben möchte. Und das nicht selten genau dort, wo man sie am allerwenigsten gebrauchen kann.

Effiziente Form der Kommunikation

Ein Vakuum generiert “Information”

Gerüchte sind kein heimtückisches und irrationales Naturereignis. Sie brechen nicht wie ein Platzregen im Mai über das unschuldige Publikum herein. Den entscheidenden Hinweis auf ihre Ursachen liefert Cyrill N. Parkinson: “Wo immer in der Kommunikation ein Vakuum entsteht, werden Gift, Müll und Unrat hineingeworfen.” Zwar unterstellt der Urheber des Parkinson-Prinzips damit allzu misstraisch finstere Absichten (“Gift, Müll und Unrat”), dennoch trifft sein Bonmot den Kern des Problems: ein Kommunikationsvakuum “erzeugt” Information.

Gerüchte sind mutmaßliche Antworten auf offene Fragen

Unbeantwortete Fragen

Das heißt im Klartext: Gerüchte sind (spekulative) Antworten auf Fragen, die die Belegschaft (oder Teile davon) bewegen. Wo es keine Frage, ddas heißt, keine Befürchtung und kein ausgeprägtes Interesse gibt, gibt es auch kein Gerücht. Wo auf bestehende Fragen eine rasche und überzeugende Antwort gegeben wird, gibt es ebenfalls keine Gerüchte. Gerüchte entstehen dort, wo wichtige Fragen unbeantwortet bleiben.

Wie fruchtbar ist der Nährboden?

Um das besser zu verstehen, muss man sich klar machen, dass in jedem Unternehmen jeden Tag Tausende von Spekulationen geäußert werden. Viele davon werden von Mund zu Mund weitergetragen und im Zuge der Überlieferung verändert und dramatisiert, doch nur sehr wenige ziehen größere Kreise. Nicht die Anzahl und Tendenz der Spekulationen ist entscheidend, sondern der Nährboden, auf den sie fallen.

Das ist eine gute Nachricht, denn darauf, welche Spekulationen im Laufe eines ganzen langen Tages geäußert werden, haben Sie keinen Einfluss – wohl aber darauf, wie fruchtbar der Boden für sie ist. Die meisten Gerüchte gibt es zwangsläufig in Unternehmen, in denen die Mitarbeiter schlecht informiert werden. Wenn Sie keine Gerüchte wollen, dann informieren sie einfach – und zwar offen und schnell. Wenn Sie nicht informieren wollen, dann wundern Sie sich nicht, dass Gerüchte genau das zu erraten versuchen, was Sie lieber verschweigen würden.

Lust an der Dramatisierung

In aller Regel sind Gerüchte sehr viel dramatischer als die Wahrheit, die dahinter steht. Das liegt zum einen daran, dass die wenigsten Menschen sauber zwischen Tatsachen und Vermutungen trennen. So wandeln sich Mutmaßungen im Laufe der Überlieferung zu “harten Fakten”. Zum anderen finden die wildesten Spekulationen oft die größte Resonanz – schon weil sich Erzähler und Zuhörer gemeinsam an der “Lust am Drama” berauschen: Die einen genießen ihre Wichtigkeit als “Wissende”, die anderen die Bestätigung ihrer schlimmsten Befürchtungen.

Vertrauensvolle und misstrauische Spekulationen

Annahmen hinter den Spekulationen

Auf einen wichtigen Zusammenhang hat dabei der Kulturberater Michael Löhner aufmerksam gemacht: Auch bei größter Anstrengung um gute Kommunikation ist es nicht möglich, dass jeder Mitarbeiter vollständig informiert ist. Es bleibt also immer ein Rest an Unklarheit über die Handlungen und Absichten der Unternehmensleitung, der zwangsläufig mit Spekulation gefüllt wird. Entscheidend ist nach Löhners Worten, mit welchen unausgesprochenen Annahmen die Mitarbeiter dieses Vakuum füllen. Je nach ihren Vorerfahrungen sind das entweder vertrauensvolle oder misstrauische Spekulationen.

Befürchtungen

Misstrauen entsteht aus Angst, aus schlechten Vorerfahrungen, zum dritten dann, wenn Mitarbeiter und Führungskräfte aus der Art der Kommunikation (oder des Schweigens) den Eindruck entwickeln, es würden ihnen wesentliche Informationen gezielt vorenthalten, um zu verhindern, dass sie zu unerwünschten Schlussfolgerungen gelangen. Oder wenn sie das Gefühl haben, sie würden gezielt falsch oder unvollständig informiert.

Vertrauen schaffen!

Vertrauen entsteht, wenn die Mitarbeiter den Eindruck haben, dass das Top-Management sich ihnen gegenüber offen und redlich, also untaktisch verhält. In diesem Sinne ist offene und schnelle Kommunikation vertrauensbildend, vor allem dann, wenn auch unangenehme Dinge unverblümt und konstruktiv zur Sprache gebracht werden. Mit anderen Worten: Durch die Art Ihrer Kommunikation bestimmen Sie maßgeblich selbst, wie viele Gerüchte es gibt und wie negativ deren Tendenz ist.

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Über den Autor

Winfried Berner ist Autor von zahlreichen Fachbüchern zu den Themen Change-Management, gezieltem Kulturwandel, Post-Merger Integration und anderen Themen der Organisationsentwicklung. Seit 2024 ist sein Unternehmen Teil der initio Organisationsberatung. 

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