HomeMethoden & WissenProjektmanagementQualitätssicherung: Regelmäßige “Reifeprüfung” der Arbeitsergebnisse
Vier Augen sehen mehr als zwei – diese Volksweisheit steht letztlich auch hinter jeder Qualitätssicherung. Auch bei größeren Veränderungsvorhaben lohnt es sich, ein Verfahren zur Qualitätssicherung einzurichten. Denn wenn Zeit und Geld knapp werden, ist aus dem vielbeschworenen “magischen Dreieck des Projektmanagements” die Qualität das prädestinierte Opfer. Allerdings muss man bei der Qualitätssicherung aufpassen, dass daraus weder eine formale Pflichtübung wird noch ein bürokratischer Bremsklotz oder eine frustrierende “Wünsch-dir-was-Veranstaltung”.

Qualität unter Druck

Gründe für die Unbeliebtheit

Qualitätssicherungsmaßnahmen sind in Projekten meist nicht sonderlich beliebt. Das liegt zum einen daran, dass sie leicht einen Prüfungscharakter bekommen: Sie geraten rasch zu einem hochnotpeinlichen “Verhör”, in dem die “Prüflinge” ihre Arbeit rechtfertigen und verteidigen müssen. Zum anderen liegt es in der Natur jeder Qualitätssicherung, dass sie zur Aufdeckung von Unzulänglichkeiten führen kann – und damit oft Zusatzaufwand für Korrekturen, Änderungen oder Zusatzarbeiten auslösen. Das kann natürlich frustrierend sein, besonders wenn man geglaubt oder gehofft hat, mit diesem Teil der Arbeit schon fertig zu sein, und sich nun zeitlich und inhaltlich zurückgeworfen sieht. Beides lässt sich nicht völlig vermeiden, aber in seiner Brisanz deutlich entschärfen.

Typische Fehler bei der Qualitätssicherung

Häufige Fehler

Zur Landplage wird eine projektinterne Qualitätssicherung dann, wenn man dabei ein paar klassische Fehler macht bzw. zulässt:

1. Unklare Vorgaben / “Wünsch dir was!”

Der erste häufige Fehler ist, die genauen Spezifikationen für ein Projekt oder Teilprojekt erst im Zuge der Qualitätssicherung zu erarbeiten, nach der Devise: “Jetzt, wo ich sehe, wie Sie es gemacht haben, weiß ich, wie ich es auf keinen Fall haben will!” Das macht die Projektarbeit zum Ratespiel mit ungewissem Ausgang und ist hochgradig frustrierend für Projektleiter und Teammitglieder; es motiviert eigentlich nur zu einem, nämlich dazu, sich so schnell wie möglich aus dem Projekt abzuseilen (am besten in die Qualitätssicherung). Ähnliches gilt, wenn die Unsitte einreißt, die Qualitätssicherung zur nachträglichen Veränderung oder Erweiterung der Spezifikationen zu missbrauchen. Deshalb darf Qualitätssicherung auf keinen Fall zum nachträglichen Ersatz für eine saubere Auftragsklärung werden!

2. Zu große Abstände

Zweitens ist es fatal, wenn die Qualitätssicherung zu selten, sprich, in zu großen Abständen gemacht wird. Das hat unweigerlich zur Folge, dass zu dem Zeitpunkt, an dem sie stattfindet, schon viel Zeit, Geld und Energie in die Weiterarbeit geflossen ist und Festlegungen getroffen wurden, die nur noch mit erheblichem Mehraufwand zu korrigieren sind. Dadurch geraten die “Qualitätssicherer” in das Dilemma, entweder Weichenstellungen zu akzeptieren, die aus ihrer Sicht eigentlich in die falsche Richtung gehen, oder aber zu intervenieren und das Projekt (oder Teilprojekt) durch ihre Intervention weit zurückzuwerfen. Weder das eine noch das andere ist befriedigend – deshalb wird die Qualitätssicherung unter solchen Vorzeichen für alle Beteiligten zu einer unangenehmen Sache.

3. Überzogene Formalisierung

Der dritte beliebte Fehler ist, die Qualitätssicherung zu sehr zu formalisieren. Dann verkommt das Ganze zum formalistischen Abhaken von Meilensteinen und “Deliverables”. Auch wenn es manche Methoden-Freaks nicht glauben werden: Für eine gute Qualitätssicherung braucht man nicht in erster Linie Formulare und Checklisten, sondern vor allem Aufmerksamkeit, Konzentration und Mitdenken. Natürlich ist gegen formale Verfahren nichts einzuwenden, wenn sie das Denken unterstützen – doch als Ersatz für Denken sind sie tödlich.

4. Ergebnisse statt Methoden

Fehler Nr. 4 ist, die Qualitätssicherung nur auf Arbeitsergebnisse zu beziehen, nicht aber auf Vorgehensweisen und Methoden. Denn es gibt ja einen engen Zusammenhang zwischen Methoden und Ergebnissen: Oft kann man schon beim Blick auf die eingesetzte Methodik erkennen, ob die benötigten Ergebnisse auf diese Weise tatsächlich entstehen werden. Vor allem vor aufwändigen Arbeitsschritten sollte man mit der QS daher nicht zu warten, bis Ergebnisse vorliegen (um dann möglicherweise festzustellen, dass ein anderes Vorgehen zu besseren Resultaten geführt hätte), sondern schon die Planung des Vorgehens einer Qualitätssicherung zu unterziehen.

5. Formale Pflichtübung

Der fünfte Fehler ist, die Qualitätssicherung auf eine lästige formale Pflichtübung zu reduzieren, die man möglichst schnell und folgenlos hinter sich zu bringen sucht. Ein typisches Symptom hierfür ist die Suggestivfrage am Ende ganz normaler Besprechungen: “Dann können wir dieses Gespräch doch gleich als QS werten, oder?!” Gern wird das noch mit etwas sozialem Druck hinterlegt: “Ist doch soweit in Ordnung so?! Nur damit wir weitermachen können …” So etwas geschieht oft, wenn ein Projekt unter Zeitdruck steht (und welches tut das nicht?). Die unterschwellige Botschaft des Drängelns lautet: “Wenn Sie jetzt etwas sagen, halten Sie das ganze Projekt auf, und das wäre wirklich sehr unkollegial!” In diesem Fall wäre es ehrlicher, auf eine Qualitätssicherung ganz zu verzichten, weil die Prioritäten offenkundig auf der Zeit liegen. (Schließlich ist es nicht verboten, andere Prioritäten zu setzen; es ist nur unzweckmäßig, sich und anderen etwas vorzumachen.)

6. Ansteigende Maßstäbe

Und zuletzt ist es wenig hilfreich, in der Qualitätssicherung von Stufe zu Stufe mit immer strengeren Maßstäben zu operieren. In Beratungfirmen sind Projektleiter gefürchtet, die in der Anfangsphase des Projekts alles durchwinken, aber um so nervöser werden, je näher der Lenkungsausschuss oder die Ergebnispräsentation rückt, und wenige Tage vor dem Termin – oft unter heftigen Vorwürfen über unzureichende Qualität – alles umschmeißen und damit erst eine Krise und dann lange Nachtschichten auslösen. (Unternehmensintern löst die Angst vor der Vorstandspräsentation bei unsicheren Projektleitern zuweilen ähnliches Verhalten aus.) Das ist nicht nur verheerend für das Ansehen bei den Projektteams, sondern macht die vorausgegangenen QAs zu nutzloser Zeitverschwendung.

Ein dreistufiges QS-System

Qualitätsaudits

  • In der Praxis hat sich ein dreistufiges System von Qualitätsaudits (QA) bewährt, das meines Wissens ursprünglich aus der Softwareentwicklung kommt:
  • QA 1: Qualitätssicherung innerhalb des Projektteams (bzw. Teilprojekts);

  • QA 2: Qualitätssicherung durch den Gesamtprojektleiter, Teilprojektleiter, Mentor oder Change Coach (je nach Projektgröße, -struktur und Rollenverteilung);

  • QA 3: Qualitätssicherung durch den Lenkungsausschuss bzw. Kunden / Auftraggeber.

Reife-Prüfung

Drei Stufen, das wirkt auf den ersten Blick recht aufwändig und formalistisch. Wenn man aber genauer hinschaut, erkennt man, dass alle drei Stufen in den meisten Projekten de facto sowieso existieren: Die Abnahme durch den Lenkungsausschuss bzw. Auftraggeber (Stufe 3) ist ohnehin zwingend und steht somit nicht zu Diskussion. In aller Regel wird diese Präsentation gemeinsam mit dem Projektleiter vorbereitet (Stufe 2) – zweckmäßigerweise meist auf der Basis von Vorlagen, die die Projektteams ausgearbeitet haben (Stufe 1).

Der eigentliche Unterschied liegt denn auch weniger in der Anzahl der Stufen als in dem deutlichen Bewusstsein, sie zu nehmen. Qualitätssicherung in diesem Sinne ist mehr als ein formaler Akt – es ist eine innere Entscheidung. Sie lautet: Wir haben nun einen Arbeitsstand erreicht, der aus unserer Sicht zufriedenstellend und vorzeigbar ist – nun ist die Sache reif dafür, eine Qualitätssicherung vorzunehmen. Diese bewusste Überprüfung der Reife von Arbeitsergebnissen macht den eigentlichen Wert einer formalen Qualitätssicherung aus.

Verdichtung von Stufe zu Stufe

Natürlich werden nicht auf jeder Audit-Stufe exakt die gleichen Inhalte vorgetragen und “qualitätsgesichert”, vielmehr findet von QA 1 bis QA 3 schon aus Zeitgründen eine Verdichtung statt. Trotzdem müssen auch QA 2 und 3 häufig genug stattfinden und tief genug in die Materie eindringen; anderenfalls besteht die Gefahr, dass Fehlentwicklungen zu lange unbemerkt bleiben und das Projekt wochenlang vergeblich arbeitet – was nicht nur unnötig Geld kostet, sondern auch Motivation. Voraussetzung dafür ist, dass die Abstände zwischen den Terminen nicht zu groß sind und dass pro Termin genügend Zeit zu Verfügung steht. Denn wenn die Projektarbeit von zwei Monaten in einer Stunde abgehandelt werden muss, reicht das gerade für einige komprimierte Präsentationen, ein paar kritische Rückfragen und anschließendes Abnicken. Dann kann man nur hoffen und beten, dass nicht einige Monate später ein böses Erwachen folgt: “Um Himmels Willen, wenn ich gewusst hätte …”

Ausreichende Frequenz und “Amplitude”

QA3 etwa alle sechs Wochen

Wie häufig müssen Qualitätsaudits durchgeführt werden, damit sie ihre Funktion wirklich erfüllen? Eine starre Regel gibt es nicht, wohl aber einige Anhaltspunkte: Wenn der QA3 zu häufig stattfindet, wird es für alle Beteiligten nervig, weil zwischen den Sitzungen nicht genügend Zeit zum Arbeiten ist und demensprechend nicht genügend neue Substanz hinzukommt. Findet er zu selten statt, erfordert es sehr viel Disziplin im Projekt, die zusätzliche Zeit nicht zu vertrödeln.

Ein Vier-Wochen-Rhythmus ist nach unserer Erfahrung zu häufig, außer bei mit Vollzeit-Mitarbeitern besetzten Projekten. Denn (mindestens) eine Woche muss erfahrungsgemäß für die Lenkungsausschuss-Vorbereitung veranschlagt werden, und (mindestens) eine Woche vergeht, bis sich die Teams vom Lenkungsausschuss erholt und neu sortiert haben. Wenn danach noch Nacharbeiten zu machen sind, bleibt kaum noch Zeit, um neue Ergebnisse zu erarbeiten. Das schlägt sich oft darin nieder, dass Ergebnisse “gestreckt” und künstlich aufgeblasen werden – zur Verstimmung der LA-Mitglieder, aber auch zur Frustration der Projektteams, die eigentlich viel lieber gute Arbeit abliefern würden, aber die Zeit dafür nicht haben.

Zu selten ist hingegen eine Zwei- oder Drei-Monats-Frequenz, weil hier die “Berichtskontinuität” abreißt. Gut bewährt hat sich ein Sechs-Wochen-Rhythmus.

Zwischen-schritte

Der Rhythmus für die beiden anderen Qualitätsaudits orientieren sich zum Teil am QA3, da vor jedem Lenkungsausschuss die internen Audits QA 1 und 2 stattfinden müssen. Oft ist es sinnvoll, eine weitere Audit-Stufe mit QA1 und QA2 rund eine Woche nach dem Lenkungsausschuss abzuhalten, in der das Vorgehen für die nächste Phase festgelegt und “auditiert” wird. Ob auch zwischendurch noch einmal ein Audit stattfinden sollte, richtet sich nach der Erfahrung der Teammitglieder und dem festgelegten Vorgehen: Manchmal bietet es sich an, in anderen Fällen ist es von der Sache her gar nicht möglich oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand. Tendenziell wird das aber eher ein QA1 sein als ein QA2.

Sorgfalt und Vorausdenken

Wichtig ist, bei den ersten Qualitätsaudits gleich strenge und sorgfältige Maßstäbe anzulegen wie vor dem Lenkungsausschuss. Nur dann haben die QAs die nötige Orientierungsfunktion für die Teilprojekte und Teams. Das ist zu diesem Zeitpunkt natürlich schwieriger als später, wenn bereits Ergebnisse vorliegen – aber es ist zugleich auch sehr viel effizienter und effektiver. Denn je früher für eine klare Ausrichtung gesorgt wird, desto mehr erspart dies unnütze Arbeit und lenkt die verfügbaren Ressourcen in die richtige Richtung.

Das setzt nicht unbedingt hellseherische Fähigkeiten voraus (auch wenn die zuweilen durchaus nützlich wären); es erfordert vor allem Sorgfalt und die Zeit und Disziplin zum Vorausdenken. Vermutlich ist die Disziplin hier sogar besonders wichtig, denn solange kein Lenkungsausschuss ins Haus steht, besteht die große Versuchung, die lästigen Qualitätsaudits schnellstmöglich hinter sich zu bringen oder sie ganz ausfallen zu lassen. Das kann man natürlich auch machen – man muss nur später mit den Folgen leben.

Verwandte Themen: Auftragsklärung Auftraggeber Lenkungsausschuss Projektplanung

Kostenfreies Erstgespräch 

Vereinbaren Sie hier ein kostenfreies Erstgespräch!

Über den Autor

Winfried Berner ist Autor von zahlreichen Fachbüchern zu den Themen Change-Management, gezieltem Kulturwandel, Post-Merger Integration und anderen Themen der Organisationsentwicklung. Seit 2024 ist sein Unternehmen Teil der initio Organisationsberatung. 

Sprechen wir!

Wir haben mehr als 21 Jahre Erfahrung und beraten Sie gern!

Buchen Sie unsere kostenfreie Erstberatung. Wir melden uns bei Ihnen.

    Es gelten unsere Datenschutzbestimmungen

    Themen in diesem Artikel