Veränderungsprozesse fallen den meisten Menschen und Organisationen schwer. Bei Menschen gibt es dafür genetische Ursachen, die unmittelbar in Veränderungsprozesse von Unternehmen hineinwirken.Wie es trotzdem gelingen kann, Veränderungsprozesse in Organisationen erfolgreich zu meistern, erklärt initio Senior Partner Florian Grolman in einem Interview mit der Mitarbeiterzeitschrift „innenreport“ der Versicherungskammer Bayern.

innenreport: Veränderungsprozesse begleiten uns ein Leben lang – in Gesellschaft, Beruf, Familie und Freundeskreis. Lieben wir Menschen Veränderungen oder halten wir eher gern an uns vertrauten Dingen und Verhaltensmustern fest?
Florian Grolman: Genetisch gesehen ist der Mensch ein absolutes Gewohnheitstier. Er beharrt gern in bestehenden Bindungen. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass bei etwa 80 Prozent der Menschen die Beharrungskräfte dominieren und nur 20 Prozent eher Risiko affin sind wie beispielsweise Extremsportler. Dabei ist das Leben selbst Veränderung: Wir werden älter, heiraten, bekommen Kinder; Moden, Technologien, Medien ändern sich – Veränderung ist im Grunde Alltag.
Wo liegen die Ursachen für solch ein Verhalten?
Anklammern ist unsere Natur. Ein Baby greift nach unserem Finger oder schmiegt sich ans Gesicht der Mama. Losgelöst würde es nicht überleben. Loslassen und Neues entdecken löst bei den allermeisten Menschen Unsicherheit aus, weil Sicherheit ein genetisch verankertes Grundbedürfnis ist. Ein Kind sucht in solchen Momenten Schutz. Bei Erwachsenen sind die Reaktionen auf Veränderungsprozesse weniger offensichtlich, aber durchaus vorhanden. Wann immer im Leben Angst auftaucht, aktiviert das unser Bindungssystem. Das heißt: Wenn wir auf dem Sprung zu etwas Neuem sind, brauchen wir erst recht das Gefühl, gebunden zu sein.
Und es gibt noch eine Besonderheit unseres Gehirns, die den Wunsch verstärkt, in gewohnter Gesellschaft zu bleiben: Wenn wir neuen Situationen oder Menschen ausgesetzt sind, verbraucht unser Gehirn viel Zucker und Sauerstoff, da unser Denkorgan herausbekommen will, was unser Gegenüber von uns will. Und wann immer es mit solch komplexen Aufgaben konftrontiert ist, versucht es Energie zu sparen. Daher wandelt unser Gehirn unser Tun so schnell wie möglich in Routinehandlungen um. Wann immer wir Automatisiertes ausführen, schüttet das Gehirn Wohlfühldrogen aus. Auch dies ist ein Grund dafür, warum wir „Gewohnheitstiere“ sind.
Wie können wir uns dennoch am besten auf Veränderungen einstellen?
Ein Sprichwort sagt: „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit“. Wir müssen lernen, mit Veränderungen zu leben, sie zu akzeptieren, in unser Leben zu integrieren. Beispielsweise ist es heute kaum mehr möglich, ein Leben lang den Beruf auszuüben, den man einmal gelernt hat. Ich rate, ab und zu Zwiegespräch mit sich selbst zu führen und sich selbst zu fragen: „Wenn sich die Dinge radikal ändern würden und ich das Liebgewonnene um mich herum nicht mehr haben kann, was steckt sonst noch in mir? Welche Blume soll in meinem Leben dann erblühen?“
In Coaching-Prozessen von Führungskräften ist unter anderem das immer wieder Thema. Wer ständig glücklich sein möchte, muss sich oft verändern. Denn die Welt dreht sich weiter, ob wir wollen oder nicht.
Im beruflichen Kontext kann das heißen, das eigene Unternehmen und die Märkte aufmerksam zu beobachten und wach zu bleiben. Wer spürt, dass eingefahrene Wege oder bestehende Produkte ihren Zenit überschritten haben, dem empfehle ich, sich zu engagieren und in strategische Diskussion oder laufende Veränderungsprozesse einzubringen.

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Veränderungsprozesse, Erneuerungen, Innovationen sind Teil der Entwicklung von Unternehmen, Teil des Wettbewerbs und des Geschäftserfolgs. Was ist dabei ausschlaggebend für den Erfolg eines Veränderungsprozesses?
Es braucht zuallererst natürlich eine tragfähige und erfolgversprechende Strategie. Aber auch die fällt nicht vom Himmel: Führung braucht dann Informationen, Analysen, Einschätzungen, Diversität. Wem es gelingt, die besten Köpfe, die wichtigsten Wissens- und Erfahrungsträger mit ihren unterschiedlichen Erfahrungen und Perspektiven in einen konstruktiven Dialog zu bringen, wird am Ende eines solchen strategischen Diskurses die besseren Lösungen haben. In der Beratung verfügen wir über wirksame Tools, die dafür sorgen, dass ein gemeinsamer Denk- und Erkenntnisprozess erfolgreich verläuft und am Ende ein valides und verwertbares Ergebnis steht.
Sobald die Strategie dann verabschiedet wurde, ist die Kommunikation mit den Mitarbeitern entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung. Wenn Mitarbeiter direkt betroffen sind von den Veränderungen, kommen Ängste auf und es setzen lähmende Beharrungstendenzen ein, deren genetische Ursachen ich oben beschrieben habe.
Wie gewinnt ein Unternehmen seine Mitarbeiter am besten für anstehende Veränderungsprozesse?
Wichtig ist, die Mitarbeiter über die anstehenden Veränderungsprozesse zu informieren, die Notwendigkeit zu erklären und sie mit ihren Überlegungen und Ängsten nicht allein zu lassen. Von den Führungskräften muss das klare Signal ausgehen: Wir haben euch gehört, wir nehmen eure Sorgen ernst und vor allem: Wir geben Antworten.
Ich beobachte oft, dass Führungskräfte den Erklärungs- und Wiederholungsbedarf unterschätzen. Das liegt wohl auch daran, dass das Problembewusstsein der Führung oft wesentlich früher entsteht als bei den Mitarbeitern. Und so kann in der Führung die Wahrnehmung entstehen, man habe schon genug geredet und erklärt. Das kann ein großer Irrtum sein, denn die Mitarbeiter haben das Thema noch überhaupt nicht diskutiert, geschweige denn die neue Realität als solche akzeptiert.
Und ich empfehle in der Kommunikation mit den Mitarbeitern radikale Offenheit. Das kann zunächst Ärger verursachen oder auch Schmerz. Natürlich ist das für alle Seiten zunächst unangenehm, aber Ärger und Schmerz kann man wenigstens gezielt behandeln. Schlimmer ist es, wenn Gerüchte entstehen oder wenn unbearbeitete Enttäuschungswut den folgenden Veränderungsprozess lähmt.
Bei Veränderungsprozessen, in denen die Organisation vor sehr radikalen Umbrüchen stand, haben wir auch dazu geraten, einerseits das Schlimmste aufzuzählen, das passieren kann, wenn die anstehende Herausforderung nicht gelöst wird. Und es hat sich auch bewährt, die schlimmst möglichen Konsequenzen der Veränderung offensiv und klar zu benennen. Jeder Mitarbeiter soll sich genau darauf vorbereiten können. Danach sind alle gut gerüstet und abgehärtet und können sich dann ans Werk machen, ruhig und gelassen das Schlimmste abzuwenden.
Diese radikale Offenheit zahlt sich am Ende aus. Ängste wandeln sich in Vertrauen bei der Umsetzung. Und das Vertrauen der Mitarbeiter wird die Führung brauchen, wenn sie nicht Henker bleiben, sondern wieder als Lenker akzeptiert werden will.
Was können Mitarbeiter selbst tun, um nicht nur als Beobachter abwartend auf die nächste Arbeitsanweisung zu warten?
Drei Dinge kann ich klar empfehlen:
- Fragen stellen und sich in den strategischen Diskurs einbringen. Wer sich den Herausforderungen aktiv stellt, besiegt seine Ängste und erfährt Selbstwirksamkeit.
- Gegenüber der eigenen Führungskraft klar machen, was ich jetzt brauche, um gut durch den Prozess zu kommen. Gute Führung wird die Mitarbeiter bestmöglich dabei unterstützen. Kleiner Tipp: In einem solchen Gespräch hat sich das Modell der Gewaltfreien Kommunikation gut bewährt, also eigene Beobachtungen, Emotionen, Bedürfnisse und Bitten nacheinander zu formulieren und im Gespräch klar voneinander zu trennen. Das nimmt harschen Formulierungen die Schärfe und macht verständlicher, warum Sie so fühlen, wie Sie fühlen.
- Sich engagieren. Veränderungen sind immer auch „Fenster der Möglichkeiten“ und bieten Entwicklungschancen. Wer signalisiert, dass er Teil der Lösung sein will, wird gesünder und gestärkter durch den Veränderungsprozess kommen als jemand, der sich passiv treiben lässt.
Dieses Interview ist in der Mitarbeiterzeitschrift “innenreport” des Konzerns Versicherungskammer Bayern (u.a. “Feuersozietät”) in Ausgabe 3/2013 erschienen.
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