HomeMethoden & WissenKommunikationDiplomatie: Ob und wie man die Wahrheit sagen soll
Unvermeidlich taucht immer, wenn im Change Management unangenehme
Themen oder schlechte Nachrichten kommuniziert werden müssen, die
Frage nach einem “möglichst diplomatischen” Vorgehen auf. Das eigentliche
Anliegen hinter dieser “diplomatischen Umschreibung” ist in aller
Regel: Wie lässt sich die unangenehme Message so verpacken, dass
sie möglichst unverfänglich und schonend rüberkommt – und dass es
keinen Ärger gibt?

Aber bitte diplomatisch!

Falsche Hoffnungen

Wer Hoffnung auf diese Art von Diplomatie setzt, möge sie getrost begraben: Es gibt keine Möglichkeit, eine schlechte Nachricht so zu umschreiben, dass daraus eine gute Nachricht wird. Wenn Ihr Vorgesetzter Sie zu sich bittet, um Ihnen mitzuteilen, dass Sie zum nächstmöglichen Termin entlassen sind, dann gibt es keine noch so kunstvolle Umschreibung, die daraus eine gute Nachricht macht. Würde er in beschönigenden Formulierungen um den heißen Brei herumreden, würden Sie ihm dies eher als Feigheit denn als diplomatisches Geschick auslegen. Würde er gar versuchen, Ihnen die positiven Seiten der Entlassung schmackhaft zu machen und davon faseln, dass im Chinesischen “Krise” zugleich “Chance” bedeute, würde Ihnen das die Kündigung kaum erträglicher machen; Sie wären wohl eher peinlich berührt.

Schlechte Nachrichten bleiben schlechte Nachrichten – egal wie “nett” man sie verpackt.

Diplomatische Verschlimmerung

Deshalb ist es ein falsches und unrealistisches Ziel, sie durch geschickte oder “diplomatische” Formulierungen abschwächen oder gar in etwas Positives verwandeln zu wollen. Zahlreiche Witze leben davon, wie durch vermeintliche Diplomatie alles nur noch schlimmer wird. Etwa der: In einem Gourmet-Restaurant fällt ein Gast dadurch unangenehm auf, dass er sich die Serviette in den Kragen steckt. “Bringen Sie ihm bei, dass sich das nicht gehört,” sagt der Patron zum Oberkellner, “aber machen Sie es bitte diplomatisch!” Nach kurzem Überlegen geht der Oberkellner zu dem Gast und fragt höflich: “Was darf’s denn sein, mein Herr: Waschen oder Rasieren?”

Das ist nur so lange lustig, wie man sich nicht in die Haut des Gastes versetzt. Er steht nun vor seinen Geschäftsfreunden oder vor seiner Begleiterin wie ein begossener Pudel da – doch bei aller Beschämung bleibt ihm kaum etwas anderes übrig als gute Miene zum bösen Spiel zu machen und gequält (!) über seine Blamage mitzulachen.

Wohlwollende Deutlichkeit

Das einzige, was der Überbringer einer schlechten Nachrichten tun kann (und tun sollte!), ist, die schlechte Nachricht nicht durch ungeschickte oder verletzende Kommunikation noch schlimmer zu machen. Etwa im Sinne des Satzes: “Takt ist Aufrichtigkeit ohne unnötige Grausamkeit.” Das ist am ehesten durch wohlwollende Deutlichkeit zu erreichen, also durch Klarheit, die auch im Dissens von persönlicher Wertschätzung getragen ist.

Weder Ironie noch Härte

Die beiden häufigsten Formen von Grausamkeit sind – neben misslungener Diplomatie – Ironie und Härte. Ironie, weil sie das Problem ins Spaßige zieht und dadurch Irritation wie Verletzungsgefahr vergrößert. Härte, weil sie dem Betroffenen – zum Beispiel in Form einer “Abrechnung” oder in Form von Schuldzuweisungen – die Verantwortung an dem Problem zuschiebt und die schlechte Nachricht so weiter verschlimmert, indem sie sie um Schuldgefühle und zusätzliche Entwertung “anreichert”.

Schonung und Härte: Zwei Formen von Feigheit

Schonung ist Selbstschutz

Bei genauerer Betrachtung sind sowohl Schonung als auch “schonungslose Härte” in erster Linie Selbstschutz. Selbstschutz deshalb, weil wir in aller Regel gar nicht dem anderen schonen, sondern in erster Linie uns selbst: Wir ersparen uns so sowohl die Notwendigkeit, das Thema offen anzusprechen und den anderen mit unserer Sichtweise zu konfrontieren, als auch ein möglichweise unangenehmes Gespräch sowie die Weiterungen, die es nehmen könnte (und die wir uns vor schwierigen Gesprächen in unserer Phantasie ausmalen).

Ansprechen kritischer Themen ist Stress

Das Ansprechen unangenehmer Themen ist Stress – insbesondere für harmonieorientierte Zeitgenossen. Denn erstens haben die meisten Menschen (glücklicherweise) eine natürliche Hemmung, anderen Menschen Leid zuzufügen – was wir durch die Konfrontation mit einem Problem ja möglicherweise tun. Zweitens weiß man nie so genau, wie der andere (oder die Gruppe) auf eine klare Aussage reagieren wird: Ob er sie achselzuckend zur Kenntnis nimmt und kaum darauf reagiert, ob er wütend oder aggressiv wird, ob er zu weinen beginnt oder zusammenbricht. (Wovor sich viele mehr Führungskräfte fürchten als vor Wut und Aggression.) Und drittens müssen wir befürchten, dass der andere (oder die anderen) böse auf uns ist, hinterher schlecht über uns redet und sich vielleicht auch irgendwie rächt. Möglicherweise wird er Sie für einen schlechten, arroganten, rücksichtslosen, hinterlistigen, eiskalten, skrupellosen (…) Menschen halten – und dies auch jedem erzählen, der ihm in den Weg kommt.

… und Stress-vermeidung

All das würden wir uns lieber ersparen. Vor solchen unangenehmen Konsequenzen, die immerhin denkbar sind, schonen wir uns mit unklaren, beschönigenden Aussagen. Den anderen schonen wir damit nicht – oder nur vordergründig. Denn selbstverständlich verhindert all diese “Diplomatie” nicht, dass der andere betroffen ist, vielleicht sogar in ein Loch fällt, wenn er die wahre Bedeutung unserer Umschreibungen begreift – wir verzögern es nur so lange, dass wir beim Absturz nicht mehr zugegen sein müssen.

Härte – ein fauler Trick

Die vermeintlich entgegengesetzte Linie ist die der “schonungslose Härte”. Doch Härte ist keine Tapferkeit, sondern eine besonders perfide Form von Feigheit: Indem wir den anderen heftig angreifen, ihm alle Schuld zuschieben und ihn mit Vorwürfen überhäufen, versuchen wir, uns selbst vor Mitverantwortung, Mitschuld und möglicher Kritik zu bewahren. Denn wenn der andere “sich die alleinige Schuld selbst zuzuschreiben hat”, beweist das ja im Umkehrschluss, dass wir selbst völlig unschuldig an dem Problem sind.

… der sich oft rächt

Deshalb wird die Taktik der schonungslosen Härte gerade bei Beziehungsproblemen besonders “gern” gewählt – im Berufs- wie im Privatleben. Und häufig scheint sie zunächst auch zu funktionieren, weil der so Attackierte erst einmal perplex ist und sich überrollen lässt. Oftmals hat es aber ein übles Nachspiel: Nachdem der Betroffene sich von seinem Schock erholt hat, schlägt er meistens zurück – zum Beispiel über eine Beschwerde beim Betriebsrat, das Einschalten eines Anwalts oder eine Kündigungsschutzklage, von den Gegenschlägen und der Konflikteskalation im privaten Bereich nicht zu reden.

Angst verleitet zu falschem Handeln

Umgang mit Feigheit

Nun sollte man über Feigheit nicht so negativ reden: Wenn sie sich in der Evolution nicht bewährt hätte, wäre sie nicht so verbreitet. Es ist durchaus etwas dran an dem hübschen Spruch: “Lieber eine Stunde lang feig als ein Leben lang tot!” Allerdings muss man unterscheiden zwischen existenziellen Bedrohungen und sozialer Angst. Die selbe Angst, die bei Lebensgefahr absolut berechtigt und sinnvoll ist, ist im zwischenmenschlichen Umgang fast immer ein falscher und oft verhängnisvoller Ratgeber.

Konflikt-vermeidung

Denn die Vermeidung einer Konfrontation, zu der uns die Angst instinktiv verleiten möchte, ist kein sehr sinnvolles Gesprächsziel, wenn es darum geht, eine unangenehme Entscheidung zu kommunizieren, kritisches Feedback zu geben oder einen Konflikt zu klären. Denn all diese Dinge beinhalten ja unvermeidlich, dass man den anderen mit etwas Unangenehmem konfrontiert. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass das Vermeiden eines Konflikts, auch wenn es intuitiv noch so plausibel ist, in sich paradox ist: Es ist unmöglich, einen Konflikt zu vermeiden, wenn man einen Konflikt zum Thema macht.

Paradoxes Ziel

Das falsche Ziel führt zwangsläufig zu falschen Handeln, nämlich entweder zu Ausweichen, Abtasten und Herumeiern oder zu – siehe oben – unnötiger Härte. Dass angesichts dieses Widerspruchs auch ein widersprüchliches Verhalten “einerseits müsste ich wohl, andererseits will ich es nicht” herauskommt, ist eigentlich kein Wunder, sondern die logische Folge. Doch macht es einen konstruktiven Umgang mit der Situation nicht leichter, sondern führt im Gegenteil zu zusätzlichen Komplikationen.

Konstruktive Deutlichkeit

Die Alternative zum Versuch der Konfliktvermeidung ist, dass man den Konflikt als Tatsache akzeptiert und sich bemüht, der notwendigen Konfrontation durch konstruktives Handeln einen positiven Verlauf zu geben. Der beste Weg hierfür ist konstruktive Deutlichkeit. Sie besteht darin, das kritische Thema in aller Klarheit, aber ohne Aggressivität und ohne Übertreibung, ansprechen, und zwar auf der Basis von Respekt und Gleichwertigkeit.

Verwandte Stichworte: Deutlichkeit Euphemismen Ängste Konfliktscheu Kommunikation Konflikte Konflikteskalation

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Über den Autor

Winfried Berner ist Autor von zahlreichen Fachbüchern zu den Themen Change-Management, gezieltem Kulturwandel, Post-Merger Integration und anderen Themen der Organisationsentwicklung. Seit 2024 ist sein Unternehmen Teil der initio Organisationsberatung

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