HomeMethoden & WissenPMI – Post Merger IntegrationÜbernahmeschock: Ausgeliefert an fremde Mächte
Nur wenn die Not groß und das Selbstvertrauen eines Unternehmens ziemlich angeknackst
ist, kommt es vor, dass die Nachricht von einer bevorstehenden Übernahme
mit Erleichterung aufgenommen wird. Dann kann der Käufer den Betroffenen
wie ein rettender Engel erscheinen. Doch im Normalfall löst die Ankündigung
einen Schock aus. Denn anders als
bei einem bloßen Wechsel der Eigentumsverhältnisse
müssen die Mitarbeiter und Führungskräfte des übernommenen Unternehmens
hier auf buchstäblich alles gefasst sein: von der Schließung oder
Zerschlagung über eine Eingliederung bis zu einer weitgehend eigenständigen
Fortführung.

Alles ist möglich

Ernstzuneh-mende Ängste

Solche Befürchtungen könnte man für überzogene Katastrophenphantasien halten: Weshalb sollte ein Unternehmen ein anderes kaufen, nur um es hinterher zu zerschlagen oder zuzusperren? Doch erstens schafft Wahrnehmung Realität, auch wenn solche Maßnahmen gar nicht vorgesehen sind. Und zweitens gibt es solche Fälle durchaus: Etwa dann, wenn ein Unternehmen in einem Markt mit erheblichen Überkapazitäten einen angeschlagenen Wettbewerber kostengünstig kauft, um dessen Kunden zu übernehmen und durch dessen Schließung Kapazitäten aus dem Markt zu nehmen, um so die Preise zu stabilisieren. Auch eine Zerschlagung ist durchaus nicht auszuschließen, etwa wenn der Käufer nur an einzelnen Filetstücken interessiert ist und den Rest entweder verkauft oder dicht macht. Oder wenn ein Finanzinvestor Teile des gekauften Unternehmens weiterverkauft, um so einen Teil seines Kaufpreises wieder hereinzubekommen.

Zerknitterte Gefühlslage

Denken in Bedrohungen

Nun kann man einwenden, auch wenn dies vielleicht nicht völlig auszuschließen sei, seien es doch die extremsten und unwahrscheinlichsten Möglichkeiten. Das stimmt in der Tat. Aber es entspricht nun einmal der menschlichen Natur, die Aufmerksamkeit der größten möglichen Bedrohung zuzuwenden, statt auf einen günstigen Verlauf zu hoffen. Auch wenn dies für das Management zuweilen extrem störend ist: Offenbar hat sich dieses Muster im Laufe der Evolution bewährt.

Kontrollverlust

Was die Sache für die betroffenen Mitarbeiter und Führungskräfte noch schlimmer macht, ist, dass sie ihre Lage nicht beeinflussen können, sondern hilflos den Entscheidungen des Übernehmers ausgeliefert sind. Zwar wissen oder ahnen die meisten, dass sie als Arbeitnehmer gewisse Schutzrechte gegenüber möglicher Willkür des Übernehmers haben. Doch selbst die genaue Kenntnis der in Deutschland geltenden Gesetze etwa zum Betriebsübergang und zum Kündigungsschutz ändert wenig an dem Gefühl des Kontrollverlusts, das sie erleben, und der Zukunftsangst, die sie plagt.

Minderwertigkeitsgefühle

Dazu kommt oftmals ein “Verlierer-Gefühl”. Von einem Wettbewerber übernommen zu haben, bedeutet ja, das Spiel (manche würden auch sagen: den Krieg) verloren zu haben – “vae victis!” Das ist ein schwerer Schlag für das Schlag für das Selbstwertgefühl – insbesondere für diejenigen, die sich stark mit ihrem alten Unternehmen identifizieren. Gerade für sie, die sich wirklich angestrengt und viel geleistet haben, wirft es unausgesprochen die Frage auf, ob sie überhaupt gut genug sind für diese Welt bzw. für dieses Wettbewerbsumfeld. Sie fühlen sich wie die Leistungsträger einer Fußballmannschaft, die gerade abgestiegen ist. Mit diesem angeknacksten Selbstvertrauen reagieren sie besonders sensibel und empfindlich darauf, wie das übernehmende Unternehmen nun mit ihnen umgeht.

Drohenden Auflösungserscheinungen entgegenwirken

Drohende Abwanderung

Dieses Gemisch aus Angst, Resignation, Kontrollverlust und angeknackstem Selbstvertrauen kann zum Sprengsatz für den Übernehmer werden. So wie aus einer abgestiegenen Fußballmannschaft viele Spieler abwandern, um auf diese Weise das “Loser-Image” abzustreifen, zeigt oft auch die Führungsmannschaft eines übernommenen Unternehmens baldige Auflösungserscheinungen. Nur die Hoffnung auf eine gepflegte Abfindung hält manche noch für eine Weile im Unternehmen. Doch ein oder zwei Jahre nach einer Übernahme sind oftmals nur noch ein Drittel oder ein Viertel der alten Führungsmannschaft an Bord, und das liegt nur zum Teil an bewussten Entscheidungen des Übernehmers.

Schlüsselpersonen “einfangen”

Wenn Sie daher für das Management einer Integration verantwortlich sind, dann haben Sie ein besonderes Augenmerk auf die Schlüsselpersonen des übernommenen Unternehmens! Je wichtiger die Qualität der Mitarbeiter und die Beziehungskontinuität zu Kunden und Lieferanten für den Erfolg Ihres Geschäfts ist, desto wichtiger ist es, die betroffenen Schlüsselpersonen im Unternehmen zu halten. Wenn Sie zum Beispiel in einem Know-how-intensiven Geschäft die wichtigsten Wissens- und Leistungsträger verlieren, haben Sie im Resultat ziemlich viel Geld für gebrauchte Büromöbel ausgegeben.

Frühzeitige offene Kommunikation

Die Bindung dieser Schlüsselpersonen wird Ihnen nur dann gelingen, wenn Sie offen auf sie zugehen, sie mit spürbarer Wertschätzung behandeln und ihnen schnellstmöglich Orientierung über ihre künftigen Aufgaben und Rahmenbedingungen vermitteln. Auch um die Loyalität der übrigen Mitarbeiter zu gewinnen und nicht nur eine von Resignation und Apathie geprägte Mannschaft zu haben, ist frühzeitige (!) offene Kommunikation, menschliche Zuwendung und klare Orientierung von entscheidender Bedeutung. Was in den ersten Wochen gewonnen wird, ist eine wertvolle Grundlage für den Erfolg der Integration – was hier kaputt gemacht wird, ist später, wenn überhaupt, nur noch mit ungleich höherem Aufwand korrigierbar.

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Über den Autor

Winfried Berner ist Autor von zahlreichen Fachbüchern zu den Themen Change-Management, gezieltem Kulturwandel, Post-Merger Integration und anderen Themen der Organisationsentwicklung. Seit 2024 ist sein Unternehmen Teil der initio Organisationsberatung. 

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