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Mitarbeiterqualität bestimmt Geschäftserfolg
Inkohärenter Flickenteppich
Die betrübliche Realität ist, dass es in vielen Unternehmen kein einheitliches Führungssystem gibt, sondern einen Flickenteppich von mehr oder weniger zusammenhanglosen Bausteinen. So findet man zwar oft ein mit Liebe und Engagement konzipiertes Personalentwicklungsprogramm, aber das steht nur in den seltensten Fällen in einer schlüssigen Beziehung zu den Kriterien des Beurteilungssystems, und weder das eine noch das andere verträgt sich mit den Prioritäten und Signalen, die von den direkten Vorgesetzten durch ihre operative Führung gesetzt werden.
Völlig losgelöst steht die Personalauswahl daneben: Die wird teilweise immer noch mit unfasslicher Nachlässigkeit ohne klare Kriterien in un strukturierten Gesprächen zwischen Tür und Angel abgehandelt. Anderenorts wird sie mit hochsophistizierten Verfahren von Assessment Center bis Persönlichkeitstests betrieben, die nur an einem Punkt bedenklich dünn werden: Bei der Frage nämlich, welche gesicherte Verbindung zwischen den eingesetzten Prozeduren und den zentralen Anforderungen der zu besetzenden Position bestehen. Ganz zu schweigen von den Karriere- und Beförderungsentscheidungen, die oft weniger von einer langfristigen Personalpolitik getrieben sind als von dem kurzfristigen Ziel, störende Vakanzen zu besetzen.
Gemeinsame Ausrichtung und Verzahnung der fünf Teilsysteme
Ausweg aus dem Chaos
Was die Sache noch schlimmer macht, dass die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten für diese fünf Themen zumindest in Großunternehmen auf die verschiedensten Abteilungen und Funktionen verteilt sind. Trotzdem würde man solch ein Chaos bei keinem anderen Geschäftsprozess akzeptieren – nur bei der angeblich wertvollsten Ressource scheint alles vergessen zu sein, was wir jemals über die Durchgängigkeit von Prozessen und über Qualitätsmanagement gelernt haben. Dabei wäre die Lösung “eigentlich” ganz einfach: Man müsste die fünf Teilsysteme nur konsequent an den spezifischen Anforderungen der jeweiligen Tätigkeit bzw. Funktion ausrichten und sie so aufeinander abstimmen, dass sie sich optimal ergänzen und gegenseitig unterstützen.
Denn wenn sich die Mitarbeiterauswahl an dem gleichen Anforderungsprofil orientiert wie Führung und Coaching, wenn die Leistungsbeurteilung ein klares Feedback zu diesen Anforderungen gibt und die Personalentwicklung die passenden Schulungsangebote bereitstellt, dann entfaltet solch ein Führungssystem eine ungleich höhere Wirksamkeit und Durchschlagskraft als wenn jedes Teilsystem in eine andere Richtung steuert. Wenn es dann noch die richtigen Anforderungen sind (aber wirklich nur dann), lässt sich so eine deutliche Steigerung der Mitarbeiterqualität erreichen.
Ein Führungssystem aus einem Guss

Abb.: Im Mittelpunkt des Führungssystems müssen die erfolgskritischen Anforderungen stehen
Beurteilungssystem einzuführen und vielleicht noch ein paar passende Schulungen anzubieten. Er muss vielmehr die erfolgskritischen Anforderungen für jede Tätigkeit oder Tätigkeitsgruppe präzise bestimmen (also diejenigen Merkmale und Fähigkeiten, die den Unterschied zwischen Erfolg und Mittelmaß ausmachen), und dann das gesamte Führungssystem auf diese “Erfolgsfaktoren” zuschneiden. Neben der Leistungsbeurteilung muss das Führungssystem vor allem die Mitarbeiterauswahl und die Beförderungspolitik umfassen, weil diese beiden wohl den stärksten Einfluss auf die Mitarbeiterqualität haben. Und schließlich muss es sich auch das operative Führungsverhalten sowie das gesamte Instrumentarium der Personalentwicklung erstrecken. Die Erfolgs-faktoren bestimmen
Die erste zentrale Frage beim Aufbau eines solchen Führungssystems lautet: Was sind in der jeweiligen Funktion die kritischen Anforderungen, die über Erfolg und Misserfolg entscheiden? Daran schließt sich unmittelbar eine zweite zentrale Frage an: Welche dieser kritischen Anforderungen sind trainierbar, und welche sind nur durch die Mitarbeiterauswahl und die Beförderungspolitik zu beeinflussen? (Sowohl die Entwicklung trennscharfer Anforderungsprofile als auch die Abschätzung der Trainierbarkeit sind in zwei separaten Artikeln beschrieben.)
Unternehmens-politische Akzente
Es empfiehlt sich, an diese beiden Fragen noch eine unternehmenspolitische dritte anzuschließen, nämlich: Welche zusätzlichen Anforderungen wollen Sie aus grundsätzlichen Erwägungen zusätzlich in Ihr Führungssystem aufnehmen, obwohl sie für den Erfolg in der konkreten Tätigkeit nicht zwingend erforderlich sind? Das können zum einen Anforderungen sein, die weniger mit der Tätigkeit selbst zu tun haben als mit der Kultur- und Wertekompatibilität. Sowohl auf dem Wege der externen oder internen Stellenbesetzung als auch durch Beurteilungssysteme üben solche zusätzlichen Anforderungen einen erheblichen Einfluss auf die Unternehmenskultur aus; sie sind daher ein geeignetes Instrument, um mit entsprechenden Kriterien gezielt Impulse in Richtung Kulturveränderung zu geben.
Zukunfts-sicherung
Zum anderen empfiehlt es sich, bei den Anforderungsprofilen auch an die Zukunft zu denken: Nicht jeder Mitarbeiter wird auf Dauer in seiner heutigen Position bleiben, und die wenigsten Positionen werden in fünf bis zehn Jahren noch so aussehen wie heute. Deshalb ist es wohl immer angebracht, eine Anforderungsdimension “Lernbereitschaft / Weiterentwicklung” in den Katalog aufzunehmen.
Einbeziehung der Mitarbeiter bei der Einführung
Beunruhigung der Mitarbeiter und Führungskräfte
Die Einführung eines solchen Systems zur Steigerung der Mitarbeiterqualität löst bei den Mitarbeitern immer ein Stück Unruhe aus – auch dann, wenn das Klima im Unternehmen gut ist und normalerweise offen kommuniziert wird. Getreu dem unbewussten Programm, immer erst die Bedrohlichkeit zu prüfen, fragen sich alle: Was bezweckt das Management damit? Was könnte insbesondere hinter dem Beurteilungssystem stecken? Wie werde ich abschneiden – oder präziser: Werde ich “gut genug” sein, werde ich den künftigen Anforderungen genügen? Welche Konsequenzen könnte das für mich haben? Soll ich den beruhigenden Worten vertrauen? Auch der Betriebsrat wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit einschalten und auf Information und Mitsprache drängen – worauf er je nach Ausgestaltung des Systems auch einen Rechtsanspruch hat.
Irritation der Personalabteilung
Schließlich kann es auch in der Personalabteilung zu Irritationen kommen, falls die Initiative zu einem solchen Führungssystem nicht von dort ausgegangen ist und der Personalbereich nicht von Anfang an in den Denkprozess einbezogen war. Immerhin ist “HR” üblicherweise die zuständige Stelle sowohl für die Mitarbeiterauswahl als auch für die Führungsinstrumente und, zumindest dem Anspruch nach, auch für die Führungskultur. Also steht der Personalbereich vor der Frage, ob sie die Vorentscheidung des Top-Managements für ein solches System (a) als Kritik an ihrer bisherigen Arbeit und (b) als Angriff auf ihre Befugnisse interpretieren muss und wie sie (c) gegebenenfalls damit umgehen soll.
Autoritäre Durchsetzung hat hohen Preis
Theoretisch könnte man ein System zur Steigerung der Mitarbeiterqualität auch gegen den Widerstand der Mitarbeiter, des Betriebsrats und der Personalabteilung durchpauken – allerdings nur um den Preis eines hohen Durchsetzungs- und Kontrollaufwands. Denn wenn die Mitarbeiter kein Vertrauen haben, werden sie sich in den Beurteilungsgesprächen nicht öffnen, und die Führungskräfte werden sich mit kritischen Beurteilungen zurückhalten, um ihren Mitarbeitern nicht zu schaden (und sich selbst Konflikte zu ersparen). Also müsste man eine feste Verteilung der Beurteilungsstufen vorgeben und über die Hierarchie erzwingen. Was zwar möglich ist, aber das ganze Verfahren zu einem Machtkampf zwischen “oben” und “unten” macht – keine gute Basis für eine Qualitätsoffensive.
Offenheit im Prozess
Sehr viel bessere Resultate erzielen Sie, wenn die Energien in die Qualitätssteigerung fließen statt in interne Machtkämpfe. Das gelingt dann am besten, wenn alle Beteiligten verstehen, dass zwar die Frage, ob ein solches System eingeführt wird, nicht verhandelbar ist, dass Sie damit aber nicht “aussieben”, sondern primär die vorhandenen Mitarbeiter und Führungskräfte weiterentwickeln wollen, und dass zweitens sowohl die Mitarbeiter als auch die Personalabteilung eingeladen sind, an der Ausgestaltung und Umsetzung dieses Systems mitzuwirken.
Sensible Umsetzung
Damit bei der Umsetzung nicht erneut Ängste aufflammen, ist nicht nur viel Kommunikation bei der Einführung erforderlich, sondern auch eine faire Vorgehensweise. Dazu zählt zum Beispiel, dass nicht sofort eine Leistungsbeurteilung auf Basis der Erfolgsfaktoren durchgeführt wird, sondern erst mal nur eine Standortbestimmung. Es wäre nicht fair, die Mitarbeiter und Führungskräfte an einem Maßstab zu messen, den sie zuvor nicht kannten und auf den sie sich infolgedessen auch nicht einstellen konnten. Eine Standortbestimmung hingegen ist nicht nur unproblematisch, sondern sogar vertrauensbildend: Auf diese Weise lernen die Mitarbeiter das Instrument kennen und erfahren frühzeitig, wo sie stehen und wohin sie sich entwickeln sollten. Die nächste Runde ein Jahr später wird dann selbstverständlich als Leistungsbeurteilung durchgeführt: Dann ist der Maßstab bekannt, sodass auch den Beurteilungen zugrunde gelegt werden kann – und muss.
Verwandte Themen: Anforderungsprofile Personalauswahl Trainierbarkeit Beurteilungssystem
Zu diesem Thema stehen auch zwei Artikel zum Download bereit: Erfolgsfaktoren für Marketing und Vertrieb; Pharma Marketing Journal (pdf, 2,25 MB)
So steigern Sie die Qualität Ihres Vertriebs; VerkaufsProfi (pdf, 756 KB)
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Über den Autor
Winfried Berner ist Autor von zahlreichen Fachbüchern zu den Themen Change-Management, gezieltem Kulturwandel, Post-Merger Integration und anderen Themen der Organisationsentwicklung. Seit 2024 ist sein Unternehmen Teil der initio Organisationsberatung.