HomeMethoden & WissenArbeitsrechtKurzarbeit: Ein Auslastungsloch ohne Entlassungen überbrücken
Kurzarbeit heißt, dass die betriebliche Arbeitszeit für einen
oder mehrere Monate reduziert und das Entgelt entsprechend abgesenkt
wird. Wenn die Kurzarbeit ordnungsgemäß angemeldet wurde, erhalten die Mitarbeiter einen teilweisen Ausgleich des Verdienstausfalls in Form von Kurzarbeitergeld. Dank der so eingesparten Personalkosten können Unternehmen,
die ein Auslastungsproblem haben, die Durststrecke eher überstehen
als wenn die Kosten bei fehlenden Einnahmen weiterlaufen würden.
Deshalb ist Kurzarbeit eine echte Alternative zu Entlassungen, insbesondere dann, wenn
ein Betrieb (oder ein Betriebsteil) nur vorübergehend unter Arbeitsmangel
leidet.

Zeitweilige Kürzung

Alternative Arbeitszeitflexibilisierung

Der beste und schmerzloseste Weg, Auslastungsschwankungen abzupuffern, ist nicht Kurzarbeit, sondern eine Flexibilisierung der Arbeitszeit, bei der Mehr- oder Minderstunden über Arbeitszeitkonten verwaltet werden. Bei hoher Auslastung werden dann Stunden angespart, statt sie als Überstunden auszuzahlen; bei niedriger Auslastung wird weniger gearbeitet, und die Guthaben werden aufgelöst oder das Arbeitszeitkonto geht sogar ins Minus. Die Arbeitnehmer bewerten dies erfahrungsgemäß unterschiedlich: Einerseits reduziert es ihre Möglichkeiten, “Überstunden zu kloppen” und so zu einem Zusatzverdienst zu kommen; außerdem macht die Arbeitsdauer von der Auslastung des Betriebes abhängig statt von den eigenen Planungen. Auf der anderen Seite eröffnet es die Möglichkeit, längere Urlaube anzusparen oder gar “die Lebensarbeitszeit zu verkürzen”, sprich, früher in Rente zu gehen. Und nicht zuletzt ist es ein Schutz vor Kurzarbeit und auslastungsbedingtem Personalabbau.

Sinn und Zweck der Kurzarbeit

Vorteile der Kurzarbeit

Doch erstens gibt es längst nicht in jedem Unternehmen eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeitflexibilisierung, zweitens können auch solche Betriebe in eine Situationen kommen, in denen dieser Puffer nicht ausreicht oder bereits ausgeschöpft ist. Dann ist Kurzarbeit die letzte Möglichkeit, Entlassungen zu vermeiden. Allerdings hilft sie nur bei der Überbrückung kurzfristiger betrieblicher Beschäftigungsprobleme wie etwa Auftragslöchern, Zulieferungsausfällen oder Naturkatastrophen. Für die Mitarbeiter ist Kurzarbeit allemal das kleinere Übel als den Job zu verlieren; für das Unternehmen hat sie den doppelten Vorteil, dass es erstens qualifizierte und motivierte Mitarbeiter im Unternehmen behält, die anderenfalls entlassen werden müssten, und dass es sich zweitens den quälenden Prozess von betriebsbedingten Kündigungen und Sozialauswahl erspart.

Auslastungsloch oder dauerhaftes Problem

Allerdings ist Kurzarbeit nur dann verantwortbar, wenn es vernünftige Gründe zu der Annahme gibt, dass sich die Beschäftigungslage wieder erholen wird. Es macht keinen Sinn, schmerzliche Schritte in die Zukunft zu verschieben, ohne ein Konzept zu deren Bewältigung zu haben. Das würde die Probleme nur noch schlimmer machen, weil es die letzten finanziellen Puffer aufzehren würde. Nun sind Vorhersagen bekanntlich eine schwierige Sache, besonders wenn sie sich auf die Zukunft beziehen. Doch ein bisschen konkreter als die Hoffnung an ein Wunder sollten die Perspektiven schon sein. Anderenfalls wären Entlassungen oder sogar ein Insolvenzantrag möglicherweise doch der bessere Weg. Vernünftige Betriebsräte sind denn auch nur dann bereit, eine Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit zu unterschreiben, wenn sie eine realistische Auschlussperspektive sehen.

Rechtliche Grundlagen

Keine direkte gesetzliche Regelung

Juristisch ist Kurzarbeit insofern eine eigenartige Sache, als es keine direkte gesetzliche Regelung für sie gibt: Es gibt lediglich einige Gesetze, die sie entweder voraussetzen oder sich mit ihren Folgen befassen. Im Arbeitszeitgesetz, wo sie eigentlich hingehören würde, kommt Kurzarbeit überhaupt nicht vor; im Betriebsverfassungsgesetz ist sie unter den Mitbestimmungsrechten des § 87 als “vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit” indirekt angesprochen.

Der § 19 Kündigungsschutzgesetz sieht vor, dass Kurzarbeit im Vorfeld von anzeigepflichtigen Entlassungen (sog. Massenentlassungen) zulässig ist, wenn der Arbeitgeber nicht dazu in der Lage ist, die Mitarbeiter bis zum regulären Entlassungstermin voll zu beschäftigen. Und schließlich regeln die §§ 95 – 109 des Sozialgesetzbuchs (SGB) III die Folgen, nämlich das Kurzarbeitergeld, und definieren damit indirekt auch ihre Voraussetzungen – jedenfalls, sofern Kurzarbeitergeld in Anspruch genommen werden soll. Doch die eigentliche Rechtsgrundlage der Kurzarbeit sind Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen.

Rechtsgrundlage Betriebsvereinbarung

Der Arbeitgeber darf Kurzarbeit nicht einfach anordnen, denn der Tarifvertrag bzw. der individuelle Arbeitsvertrag sieht ja eine bestimmte wöchentliche Arbeitszeit vor, die, sofern der Vertrag keine entsprechende Klausel enthält, ebenso wenig einseitig verändert werden kann wie das Gehalt. Dazu bedürfte es entweder eines zusätzlichen Vertrages oder einer Änderungskündigung (§ 2 Kündigungsschutzgesetz); letzteres ist jedoch unpraktikabel, weil hierfür die normalen Kündigungsfristen gelten, sodass auf diesem Wege keine kurzfristige Reaktion auf Auslastungsprobleme möglich ist. Da der Betriebsrat in Arbeitszeitangelegenheiten ein zwingendes Mitbestimmungsrecht hat (einschließlich eines Forderungs- und Initiativrechtes), führt im Normalfall der einzig realistische Weg über eine Betriebsvereinbarung. Nur wenn kein Betriebsrat vorhanden ist, kann der Arbeitgeber, sofern dies nach dem Tarifvertrag bzw. den Arbeitsverträgen der Mitarbeiter zulässig ist, die Kurzarbeit einseitig anordnen.

Zustimmung des Betriebsrats

In der Regel wird der Betriebsrat der Kurzarbeit zustimmen, wenn er (1) eine echte Notlage des Betriebs erkennt, (2) die Voraussetzungen für Kurzarbeitergeld erfüllt sind und er (3) eine realistische Chance sieht, nach einer Durststrecke wieder zur Vollbeschäftigung zurückzukehren. Nach § 106 SGB III gleicht das Kurzarbeitergeld nur zwischen 60 und 67 Prozent der Einkommenseinbuße aus (das ist die sogenannte “Nettoentgeltsdifferenz”, also die Differenz zwischen normalem und dem wegen der geringeren Stundenzahl reduzierten Nettogehalt). Das SGB III schafft so durchaus die richtigen Anreize: Es wird den Betriebsrat veranlassen, sich der Kurzarbeit zu widersetzen, wenn es hierfür aus seiner Sicht keine zwingende Notwendigkeit gibt; umgekehrt wird es ihn motivieren, sich darauf einzulassen, wenn ein echtes Problem vorhanden ist und das Kurzarbeitergeld immer noch besser ist als Entlassungen oder eine Gefährdung der Existenz des Betriebs.

Kurzarbeitergeld reduziert die “Nettoentgeltdifferenz”

Arbeitsplatzsicherung

Letztlich ist das Kurzarbeitergeld eine (ausgesprochen sinnvolle) staatliche Subvention zur Sicherung von Arbeitsplätzen in Betrieben, die in vorübergehenden Schwierigkeiten sind: Indem die öffentliche Hand unter bestimmten Voraussetzungen einen Teil der Einkommenseinbußen ausgleicht, die den Mitarbeitern infolge der Kurzarbeit entstehen, macht sie es beiden Seiten leichter, die Auslastungslücke zu überbrücken.

“Erheblicher Arbeitsausfall”

Das Kurzarbeitergeld muss beim Arbeitsamt beantragt werden; dies kann sowohl durch den Arbeitgeber als auch durch den Betriebsrat (!) geschehen, nicht jedoch durch einzelne betroffene Mitarbeiter. Die wichtigste Voraussetzung ist nach § 96 Abs. 1 SGB III ein “erheblicher Arbeitsausfall”, der dann gegeben ist, wenn

1. er auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht, 2. er vorübergehend ist, 3. er nicht vermeidbar ist und 4. im jeweiligen Kalendermonat (Anspruchszeitraum) mindestens ein Drittel der in dem Bereich beschäftigten Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als zehn Prozent ihres monatlichen Bruttoentgelts betroffen ist; der Entgeltausfall kann auch jeweils 100 Prozent des monatlichen Bruttoentgelts betragen.

Wirtschaftskrise ist durch Rechtsverordnung möglich, “wenn außergewöhnliche Verhältnisse auf dem gesamten Arbeitsmarkt vorliegen” (§ 109 Abs. 1).

Erneute Beantragung

Gemäß § 104 Abs. 3 kann nach drei Monaten Unterbrechung erneut Kurzarbeitergeld beantragt werden. Die rechtlichen Regelungen im Einzelnen sind ziemlich kompliziert, sodass unbedingt anzuraten ist, im Ernstfall den Rat der Arbeitsagentur bzw. eines Fachanwalts für Arbeitsrecht in Anspruch zu nehmen.

Strukturelle Kurzarbeit

Bis Ende 2003 gab es auch die eigentümliche Rechtskonstruktion der “strukturellen Kurzarbeit”; sie wurde zum 1.1.2004 durch die sogenannten Transfermaßnahmen und das “Transferkurzarbeitergeld” ersetzt (§§ 110f. SGB III). Beides hat bzw. hatte trotz der ähnlich klingenden Bezeichnungen buchstäblich überhaupt nichts mit der “normalen” Kurzarbeit zu tun, denn dort geht es genau nicht darum, ein Auslastungsloch zu überbrücken und anschließend zur Vollzeitbeschäftigung zurückzukehren; vielmehr haben strukturelle Kurzarbeit bzw. Transfermaßnahmen den Zweck, einen dauerhaften Personalabbau in größerem Umfang ohne Massenentlassungen zu bewerkstelligen und die betroffenen Arbeitnehmer nicht in die Arbeitslosigkeit zu entlassen, sondern sie wirksam bei der Suche nach einer neuen Beschäftigung zu unterstützen.

Bitte beachten Sie: Die Informationen auf dieser Website dienen lediglich einer ersten groben Orientierung über die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen bei betrieblichen Veränderungsprozessen in Deutschland. Sie können und sollen weder die Rechtslage erschöpfend darstellen noch den Rat eines Fachanwalts für Arbeitsrecht ersetzen. Deshalb wird ausdrücklich davon abgeraten, allein auf dieser Grundlage das Vorgehen für eine konkrete Situation festzulegen. Diese Seiten wurden mit Sorgfalt und im Bemühen um Aktualität erstellt; jegliche Haftung ist jedoch ausdrücklich ausgeschlossen.

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Über den Autor

Winfried Berner ist Autor von zahlreichen Fachbüchern zu den Themen Change-Management, gezieltem Kulturwandel, Post-Merger Integration und anderen Themen der Organisationsentwicklung. Seit 2024 ist sein Unternehmen Teil der initio Organisationsberatung. 

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