Inhaltsverzeichnis:
Mehr Zeit für Fortschritte
“Workshops für alle(s)!”
In den letzten Jahren hat eine Inflationierung des Begriffs “Workshop” stattgefunden: Workshops, die in Wirklichkeit Verkaufsveranstaltungen für Produkte oder Dienstleistungen sind, andere, die eine lockere Frage- und Antwortrunde zu einem bestimmten (oder unbestimmten) Thema darstellen, und solche, bei denen die Bezeichnung “Workshop” als Exkulpation für eine unzureichende Vorbereitung dient: “Wir erarbeiten das dann online …”
Was ist eigentlich ein Workshop?
Workshop klingt einfach gut: Das “work” beruhigt das dienstliche Gewissen und signalisiert, dass etwas gearbeitet werden soll – das “shop” entschärft die Drohung gleich wieder, suggeriert Auswahlmöglichkeiten und eine gewisse Lockerheit und deutet an, dass es so schlimm nicht werden wird. Und so sehen die Ergebnisse dann auch aus: unverbindlich und folgenlos. “Aber es war gut, dass wir einmal aus der gewohnten Umgebung herausgekommen sind.”
Erarbeitung von Ergebnissen
Was ist das Besondere an einem Workshops? Von einem Seminar unterscheidet er sich dadurch, dass es nicht um die Vermittlung definierter Lerninhalte geht, sondern um die Erarbeitung von Lösungen. Von einer Tagung dadurch, dass es nicht bloß um die gegenseitige Präsentation und Diskussion von Arbeitsfortschritten geht, sondern um das Erreichen gemeinsamer Resultate. Und von einer Teambuilding-Veranstaltung dadurch, dass es nicht primär um die Verbesserung der gegenseitigen Beziehungen geht, sondern um Ergebnisse, auf denen die gesamte Weiterarbeit aufbauen soll. Aber die Grenzen sind fließend.
Der richtige Zeitpunkt
Sinnvolle Aufgabe nötig
Damit bei einem Workshop etwas heraus kommt, müssen verschiedene Voraussetzungen gegeben sein. Das beginnt mit dem Timing. Diese Methode eignet sich nicht für jeden Zeitpunkt in der Projektarbeit. So banal es klingen mag, so wichtig ist: Ein Workshop macht nur Sinn, wenn eine Aufgabenstellung vorliegt, die innerhalb eines Workshops sinnvoll bearbeitet werden kann.
Ungeeignet für Bestandsaufnahme
Deshalb ist ein Workshop zum Beispiel keine geeignete Methode für eine gründliche Bestandsaufnahme. Dafür sind in der Regel zu viele Informationen nicht verfügbar, was die Versuchung und die Gefahr birgt, sie durch Erfahrungen, Vermutungen und Annahmen zu ersetzen. Auch für das Zusammentragen und die sorgfältige Analyse von Zahlen, Daten und Fakten ist Einzelarbeit in der Regel die bessere Methode. Solange die analytische Vorarbeit nicht gemacht sind, kann ein Workshop sogar ausgesprochen kontraproduktiv sein. Denn Gruppen neigen dazu, sich auch bei dünner Faktenlage auf eine gemeinsame Sicht der Realität zu einigen. Und dieser emotionale Konsens kann, wenn man Pech hat, ziemlich weit an der Realität vorbei gehen – mit der Folge, dass das Team seine Lösungen auf Sand baut.
Ideal für die Entwicklung von Lösungen
Ein idealer Zeitpunkt für einen Workshop ist, wenn alle wesentlichen Fakten auf dem Tisch liegen und es nun darum geht, sie zu bewerten, die richtigen Schlussfolgerungen abzuleiten und sich zu belastbaren Lösungsansätzen durchzukämpfen. Also in Situationen, in denen Diskussionsbedarf besteht und Zeit und Raum für die Entstehung kreativer Ideen benötigt wird. Wenn es hingegen darum geht, die gefundenen Lösungen feiner auszuarbeiten, ist das wieder eher ein Thema für Einzelarbeit oder Kleinteams.
Start der Umsetzung
Ein weiterer klassischer Zeitpunkt für Workshops ist der Start der Umsetzung. Ein Workshop ist zum Beispiel eine gute Methode, wenn es darum geht, Mitarbeiter, die bislang wenig mit einem Projekt zu tun hatten (aber hoffentlich regelmäßig über dessen Fortgang informiert wurden), mit den gefundenen Lösungen vertraut zu machen, sich mit ihren unvermeidlichen Fragen, Einwänden und Vorbehalten auseinander zu setzen, sie in die Ausgestaltung einzubeziehen und das weitere Vorgehen zu verabreden.
Workshop-Gestaltung
Mischung von Offenheit und Strukturierung
Für die Gestaltung eines Workshops ist wichtig, die richtige Mischung aus Offenheit und Strukturierung zu finden. Man kann einen Workshop nicht durchorganisieren wie eine Militärparade – wenn man es doch versucht, tötet man seinen kreativen Geist. Wenn man hingegen erst während des Workshops mit dessen Vorbereitung beginnt, läuft man Gefahr, viel Zeit und Energie für unergiebige Verfahrensdiskussionen zu vergeuden, sich, weil nichts voran geht, gegenseitig zu frustrieren und schließlich mit ziemlich mageren Ergebnissen nach Hause zu fahren.
Die Stimmung bei einem Workshop hängt stark davon ab, ob die Gruppe das Gefühl hat, produktiv zu sein und wirkliche Fortschritte zu machen. Dass es dazu kommt, lässt sich nicht erzwingen – auch Widerstände, Konflikte und Krisen gehören nun einmal auch dazu. Aber man kann wenigstens einige Hindernisse aus dem Weg räumen, die den Fortgang unnötig erschweren würden. Die drei wichtigsten Mittel dazu sind eine gute Vorbereitung, gelegentlicher Methodenwechsel und eine gute Prozess-Moderation.
Leitfragen zur Vorbereitung
Was die Vorbereitung betrifft, ist es nicht ideal, dass sich der Projektleiter einen Ablauf ausdenkt, ihn zu Beginn des Workshops abnicken lässt und dann loslegt. Das endet meistens damit, dass die von der Gruppe nicht verinnerlichte Struktur spätestens nach ein paar Stunden durch den Gang der Ereignisse überrollt wird. Besser ist, sich auf der Teamsitzung vor dem Workshop über drei Fragen Gedanken zu machen:- Wo stehen wir und was ist die größte Schwierigkeit / Herausforderung, die wir momentan vor uns haben?
- Was wollen wir am Ende des Workshops erreicht haben? (Möglichst konkret: Einmal angenommen, der Workshop wäre ein voller Erfolg: An welchen nachprüfbaren Tatsachen würde man es erkennen?)
- Wie wollen wir vorgehen, um dieses Ziel zu erreichen?
Lockerer Zeitplan
Wichtig ist, nicht zu viel (und vor allem: möglichst wenig zusätzliche Themen) in die verfügbare Zeit zu packen. Das erfordert einen Schuss Disziplin, denn wenn der Termin für einen Workshop erst einmal festgelegt ist, besteht die Verlockung, weitere offene Themen dorthin zu schieben: “Das diskutieren wir dann in der Klausur!” Doch auch hier gilt das eherne Gesetz jeder Arbeitsplanung: “Es dauert länger.” Zweckmäßig ist, eine grobe Zeitstruktur festzulegen – nicht um sie sklavisch einzuhalten, sondern um es rechtzeitig zu bemerken, wenn der Workshop zeitlich aus dem Ruder läuft.
Methodenwechsel
Abwechslung fördert K&K
“Ein bisserl Methodenwechsel” soll heißen, dass es auf die Dauer fad wird, wenn man die ganze Zeit bloß um den Tisch herumsitzt und diskutiert – insbesondere in größeren Gruppen. Hier kommt ein bisschen Abwechslung sowohl der Konzentration als auch der Kreativität zugute – und wahrscheinlich auch dem Klima. Das müssen keine ausgefallenen Techniken und Verfahren sein – hier sollte man sich als Moderator keinen überflüssigen Druck machen. Schon ein paar ganz banale Sachen – eine Runde Arbeitsgruppen zwischendurch, eine “schriftliche Diskussion” mit Kärtchen, ein harmloses Brainstorming können den Zweck voll erfüllen.
Aus Methoden keine Heilslehre machen
Wenn die Gruppe oder einzelne Teammitglieder “methodenfreudiger” sind, kann man darüber natürlich auch hinausgehen – jedenfalls so lange, wie es für die Gruppe annehmbar und für den Arbeitsfortschritt zuträglich ist. Es macht jedoch keinen Sinn, in eine wilde Methodenhuberei zu verfallen. Methoden sind kein Selbstzweck, und sie sind auch nicht der unfehlbare Weg zur ewigen Seligkeit, sondern sie sollen den Arbeitsprozess unterstützen. Das heißt, sie können nicht nur nützlich, sondern auch hinderlich, im Extrem sogar schädlich sein. Und wenn das der Fall ist, sollte man sie auslaufen lassen oder, wenn das zu viel Zeit kosten würde, auch abbrechen.
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Über den Autor
Winfried Berner ist Autor von zahlreichen Fachbüchern zu den Themen Change-Management, gezieltem Kulturwandel, Post-Merger Integration und anderen Themen der Organisationsentwicklung. Seit 2024 ist sein Unternehmen Teil der initio Organisationsberatung.